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U-Ausschuss erhielt Einblicke in türkise Machtübernahme 2017

Ex-Vizekanzler Mitterlehner berichtete im U-Ausschuss von "Spenden-Rallyes".
Ex-Vizekanzler Mitterlehner berichtete im U-Ausschuss von "Spenden-Rallyes". ©APA/HELMUT FOHRINGER
Einblicke in den Machtwechsel innerhalb der ÖVP im Jahr 2017, das Projekt Ballhausplatz und die Spendenakquirierung der Volkspartei haben am Mittwoch im Ibiza-U-Ausschuss der frühere ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Kanzler-Beraterin Antonella Mei-Pochtler gegeben - aus unterschiedlicher Sichtweise.

Als dritte Auskunftsperson sagte mit COFAG-Geschäftsführer Bernhard Perner ein Ex-Kabinettsmitarbeiter von Finanzminister Hartwig Löger aus.

Mitterlehner gab Einblicke in türkise Machtübernahme 2017

Mitterlehner hatte als erster am Befragungstag Einblick in den Machtwechsel in der Volkspartei zu Türkis im Jahr 2017 und die damit verbundene Suche von Unterstützern im Wahlkampf gegeben. Dass unter seinem Nachfolger als Parteichef, Sebastian Kurz, Gesetze "gekauft" worden sein könnten, glaube er nicht. So "blöd", dass jemand nachweislich Gesetze kaufe, sei man "weder in Europa noch in Bananenstaaten". Vielmehr sprach der frühere ÖVP-Obmann von einem "Biotop" aus Spendenakquirieren und einer Kultur, sich dadurch bei Politikern ein offenes Ohr zu verschaffen. Er wolle das Spendertum aber auch "nicht generell kritisieren", so Mitterlehner: "Es spenden nicht nur Leute, die sich einen persönlichen Vorteil sichern wollen, sondern für ein politisches Programm spenden wollen."

Für ihn sei ab Ende Jänner 2017 klar gewesen, dass er nicht mehr Spitzenkandidat sein werde. Die "Spenden-Rallyes", die Kurz' Umfeld veranstaltet habe und auf die Mitterlehner auch in seinem Buch Bezug nimmt, habe er erstmals im August 2016 wahrgenommen. Damals sei ihm zu Ohren gekommen, dass es im Kärntner Schloss Reifnitz ein Event mit dem Manager Siegfried Wolf und anderen Unternehmern gegeben habe. In weiterer Folge habe es dann auch andere derartige Events gegeben. Veranstaltet wurden diese von unterschiedlichen Gastgebern oder Unternehmen, darunter auch eine Bank. Er wolle diese Personen aber nicht an die Medienöffentlichkeit ziehen, zumal er sich auch nicht genau erinnern könne, so Mitterlehner: "Und Laptop habe ich auch keinen, ich bin schon über 60."

Unter seiner Obmannschaftschaft sei dann aber bis Juli kein Cent offiziell bei der Partei eingegangen. "Es hat mich auch nicht mehr interessiert." Dies lasse aus seiner Sicht "drei Alternativen" zu. Eine davon sei, dass die Spender angesprochen wurden, aber nicht bezahlt haben. Eine zweite, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt haben. Die dritte Möglichkeit sei, dass die Spenden auf eine Plattform außerhalb des Parteigefüges gegangen sind, so Mitterlehner: "Das müssen aber Sie herausfinden."

Kanzlerberaterin kennt Projekt Ballhausplatz nur aus Medien

Danach war Kanzler-Beraterin Mei-Pochtler am Wort. Über das Projekt Ballhausplatz, also jene inoffizielle Wahlkampfstrategie, die Kurz 2017 ins Kanzleramt verhalf, habe sie nur aus den Medien erfahren. "Das war zu keinem Zeitpunkt Gesprächsthema", sagte die Leiterin der Strategiestabstelle im BKA mit dem Titel "Think Austria", die Kurz bereits damals im Wahlkampf beraten hatte. Anfang 2017 habe sie auf Kurz' Bitte hin Expertengespräche mit der Politischen Akademie der ÖVP organisiert, die Themen Standort-Strategien und Wettbewerbsfähigkeit zum Inhalt hatten, schilderte Mei-Pochtler. Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Nationalratswahl 2017 war sie dann als Expertin für Standortthemen eingebunden.

Dass Gelder von Behörden oder öffentlichen Betrieben an die von ihr 2018 gegründete Antonella Mei-Pochtler Advisory GmbH geflossen sind, schloss die Kurz-Beraterin aus. Ebenso, dass "ÖVP-Großspender" die Beratungsagentur beauftragt haben könnten. "Ich weiß auch nicht, wer die Spender der ÖVP sind", betonte sie. Kurz habe sie im März 2018 gebeten, die "Strategie- und Planungseinheit 'Think Austria' im BKA" aufzubauen und ihre Erfahrungen aus dem Strategiebereich einzubringen. Dabei handle es sich um ein kleines Team bestehend aus fünf Personen. "Wir sind als Stabstelle dem Bundeskanzler direkt unterstellt." Zum Aufgabenbereich gehöre dabei die Aufbereitung von Querschnittsthemen und internationale Analysen für den Bundeskanzler als Vorbereitung auf seine internationalen Reisen." Wahrnehmungen dazu, dass teils Personen, die im Soundingboard von "Think Austria" sitzen, im "Projekt Ballhausplatz" erwähnt werden, habe sie keine.

Dritte Auskunftsperson COFAG-Geschäftsführer Perner

Mit COFAG-Geschäftsführer Bernhard Perner wurde am Dienstag als dritte Auskunftsperson ein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) im Ibiza-Untersuchungsausschuss zu verschiedenen Projekten unter Türkis-Blau befragt. Unter anderem auch zur Ausschreibung des Vorstandsposten in der damals neu gegründeten ÖBAG. Freilich habe er mitbekommen, dass der damalige Generalsekretär Thomas Schmid Interesse hatte.

Es wäre "vermessen", zu behaupten, dass sich "Thomas Schmid nicht für den Posten interessiert hat". Seines Wissens sei Schmid ja auch damals als Generalsekretär des Finanzministeriums medial kolportiert worden. Dass die Ausschreibung auf Schmid zugeschnitten worden sei, könne er "in seiner Wahrnehmung" nicht bestätigen. Naturgemäß sei es eine Ausschreibung gewesen, "die einen gewissen politischen Erfahrungshintergrund" erwartet hatte. Das sei auch naheliegend in einem staatsnahen Unternehmen, so Perner.

Er sei als "Finanzmarkt- und Kapitalexperte" an wichtigen Gesetzesvorhaben beteiligt gewesen, darunter etwa die Novelle des Bankengesetzes, erklärte Perner. Auch in die Reform der Finanzmarktaufsicht (FMA) sei er eingebunden gewesen, oder eben auch in das ÖBAG-Gesetz. Bei der Reform der FMA sei allen Beteiligten klar gewesen, "dass es eine starke Aufsicht braucht, daran hat niemand gezweifelt oder rütteln wollen", so Perner. Ob es Wünsche von Dritten gegeben habe, wollte Verfahrensrichter Ronald Rohrer wissen. "Im politischen Prozess werden immer Wünsche geäußert", so Perner. So wie das "Strategiepapier" zur Bankenaufsicht vom damaligen Erste-Group-Chef Andreas Treichl ans Finanzministerium? fragte Rohrer: Soviel er wisse, habe Treichl dies nicht als Erste-Group-Chef sondern als Obmann der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) beigeliefert. Man habe das Papier dann diskutiert und in den Abwägungsprozess einfließen lassen.

(APA/Red)

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