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TV-Star Mikael Nyqvist: Amerikaner sind brutaler und lauter als Schweden

"Millennium"-Star Mikael Nyqvist spielt in Krimiserie einen schwedischen Polizisten
"Millennium"-Star Mikael Nyqvist spielt in Krimiserie einen schwedischen Polizisten ©DAPD
Mit "True Detective" oder "Game of Thrones" prägt der US-Kabelsender HBO mit anspruchsvollen Produktionen seit Jahren den internationalen Serienmarkt. Da will Sky nicht auf der Strecke bleiben. "100 Code" heißt die erste Koproduktion des deutschen Pay-TV-Senders, die ein Wiedersehen mit einem der Charaktergesichter des Schwedenkrimis, Mikael Nyqvist, bringt.
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In “Kommissar Beck”- und “Wallander”-Verfilmungen ebenso zu sehen wie als Journalist Mikael Blomqvist in der gefeierten TV-Adaption von Stieg Larssons “Millennium”-Trilogie, scheint der 54-Jährige geradezu prädestiniert für die Rolle des apathischen Stockholmer Polizisten Mikael Eklund, dem in “100 Code” der New Yorker Polizist Thomas Canley (gespielt von “Lost” und “Herr der Ringe”-Star Dominic Monaghan) aufs Aug gedrückt wird. Canley sieht in einem Todesfall in Schweden einen Zusammenhang mit einer vor 16 Monaten gestarteten Mordserie in den USA – und begibt sich mit seinem widerwilligen Partner Eklund fortan auf Spurensuche nach dem Serienmörder.

“Amerikaner sind brutaler und schreien viel”

Dass die beiden sich von Anfang an bekriegen, liegt laut Nyqvist an dem deutlichen Mentalitätsunterschied. “Amerikaner sind so viel brutaler und lauter, sie schreien viel und texten einen gerne zu”, sagt der in Stockholm geborene Schauspieler, der seit sechs Jahren in New York lebt. “Die Amerikaner wiederum nehmen uns Europäer als recht prätentiös wahr: Wie soll ich einem Amerikaner erklären, dass ich einen König und eine Königin habe? Die finden das grotesk.” Schweden seien sowieso ein ganz und gar eigenes Volk. “Meine Mutter pflegte dieses schwedische Sprichwort, wenn sie etwas Gutes aß: ‘Oh, das ist SCHRECKLICH gut'”, schmunzelt Nyqvist. “Wir sind eben Schwarzmaler. Wenn jemand sagt: ‘Schau, es ist sonnig heute’, sagen wir seufzend: ‘Ja, heute’.”

“100 Code” trifft auf schwedischen Sender “Kanal 5”

In der Kunst spiegle sich das aber im Positiven wieder – nicht zuletzt Grund dafür, dass die düstere Thrillerserie “100 Code” gemeinsam mit dem schwedischen “Kanal 5” in Stockholm inszeniert wurde. “Ich bin mit Ingmar Bergman aufgewachsen: Da macht einer das Fenster auf und denkt an Gott und denkt, dass ihn niemand liebt”, erläutert Nyqvist. “So sind wir Schweden nun mal. Aber genau darin liegt eine stille Poesie, und genau die fangen wir in Filmen und Serien ein.” Aktuelle skandinavische Serienerfolge wie “Die Brücke” oder “Borgen” hat Nyqvist, selbst “alles andere als ein Serienfreak”, nur peripher mitbekommen, trotzdem weiß er um die aktuelle Qualität in dem Bereich. “Das Fernsehen ist das, wo sich derzeit alles abspielt, und wo die besten Drehbücher landen.”

Oscarpreisträger und griechischer Mythos

Dementsprechend hohe Ansprüche hat er an Serienstoffe, auf die er sich einlässt. “Es muss clever sein: Man sollte nicht wissen, was passiert, bevor es passiert. Und es braucht eine Komplexität der Charaktere, das beherrscht HBO ganz großartig”, sagt Nyqvist, und fügt hinzu: “Und die große Frage sollte nicht sein, wer der Mörder ist, sondern warum er es tut.” In “100 Code”, kreiert von Oscarpreisträger Bobby Moresco (“L.A. Crash”) auf Basis des Romans “Merrick” des irischen Autors Ken Bruen, ist es der griechische Mythos vom Raub Persephones durch Hades, den Gott der Unterwelt, der den Serienmörder jeweils zwei Frauen pro Monat töten lässt: Eine als Opfergabe für Hades, eine aus Vergnügen für sich.

Intelligente Psychopathen ohne Empathie

Das Filmteam holte dabei erschreckend die Realität ein. “Als wir gerade gedreht haben, wurden zwei Mädchen in Chicago verhaftet, die etwas ähnlich Krankes gemacht haben”, erinnert sich Nyqvist an zwei Zwölfjährige, die ihre Mitschülerin getötet haben sollen, um der Horror-Internetlegende Slenderman zu gefallen. “Ich habe mich im Laufe meiner Karriere mit vielen Verurteilten beschäftigt und sie alle haben gemein, dass sie sehr intelligent, aber Psychopathen sind, die keinerlei Empathie empfinden. Solche Dinge triggern das dann.” Auch die andere Seite hat Nyqvist kennengelernt, begleitete vor einigen Jahren eine Woche lang Polizisten. “Es ist sehr langweilig, bis dann plötzlich etwas passiert: Und dann wird es brutal und laut, es ist wie im Krieg.”

Nyqvist: Zweite Staffel von “100 Code” möglich

Nicht nur deshalb kann er den Wunsch seiner Figur Mikael Eklund nachvollziehen, nach privaten Schicksalsschlägen den Polizeijob an den Nagel hängen zu wollen. “Als Schauspieler denke ich jeden Tag daran, aufzuhören. Meine Arbeit ist kein Job im herkömmlichen Sinn, Schauspielerei ist Kunst, und sie verlangt viel Präsenz. Dadurch hat man immer dieses schlechte Gewissen gegenüber seinen Kindern und in Beziehungen”, sagt der zweifache Vater. “Man versäumt viele, viele Geburtstage.” Vorerst aber schiebt Nyqvist solche Gedanken auf, hat mehrere Filmprojekte vor sich – “mehr Dramen als Krimis” – und schreibt an seinem dritten Buch. Auch eine zweite Staffel von “100 Code” kann er sich vorstellen, zumindest “wenn eine gute Idee dahintersteckt und wir woanders als in Schweden drehen – vielleicht in Frankreich, Deutschland oder Italien”.

In Europa stets auf der Seite der “Guten”

Wo immer er dann ist, würde er auf der Straße für andere Rollen erkannt, hierzulande etwa für das Oscar-nominierte Musikdrama “Wie im Himmel” (2005), in Frankreich eher für die “Millennium”-Trilogie. Und bei seiner Himalaja-Besteigung im vergangenen Oktober sprach ihn auf 5.000 Höhenmetern ein Bhutaner an und sagte: “Danke für ‘Mission: Impossible'”, lacht Nyqvist, der in dem vierten Teil der Actionreihe “Phantom Protokoll” den Widersacher von Ethan Hunt (Tom Cruise) gab. In Europa stets auf der Seite der “Guten”, ist Nyqvist in Hollywood nämlich gern als Bösewicht gebucht. “Ich war ein schwedischer Schurke in ‘M:I’, ein russischer in ‘John Wick’ und ein serbischer in ‘Atemlos – Gefährliche Wahrheit'”, so Nyqvist. “Manchmal denke ich mir: Hollywood sieht uns Europäer so, wie man in alten Western Indianer gesehen hat. Das muss man aufbrechen.”

(APA/Red.)

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