AA

Türkei: Weiter Tauziehen um EU-Verhandlung

Unmittelbar nach der Sommerpause hat die EU eines ihrer derzeit heikelsten politischen Probleme zu lösen. Es geht um den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union.

Wenn sich diesen Donnerstag und Freitag die EU-Außenminister im walisischen Celtic Manor treffen, müssen die Regierungen Klarheit über die geplanten Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erzielen, wenn die Gespräche – so wie im Grundsatz von der EU bereits beschlossen – am 3. Oktober beginnen sollen.

Die EU ist in der Türkei-Frage tief gespalten. Während die Brüsseler Kommission am Montag erneut bekräftigte, dass Ankara alle Bedingungen für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen erfüllt hat, will Frankreich bei dem Treffen in Wales die Anerkennung Zyperns durch die Türkei zum Thema machen. Die Türkei hat zwar Ende Juli die Republik Zypern indirekt durch die Ausweitung des EU-Zollabkommens anerkannt, aber gleichzeitig in einer Erklärung festgehalten, dass dies keine völkerrechtliche Anerkennung bedeute.

Zypern wolle eine gemeinsame Gegenerklärung der Europäischen Union, hieß es in diplomatischen Kreisen in Brüssel. Auch Griechenland hat die türkische Erklärung kritisiert. Österreich wiederum, das bei dem Treffen in Wales durch Außenministerin Ursula Plassnik (V) vertreten wird, dürfte es schwer fallen, der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zuzustimmen, sollte es keine Fortschritte für Kroatien geben. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) hatte mehrfach eine Änderung des von der EU-Kommission vorgelegten Mandats für die Türkei-Verhandlungen und eine Alternative zum Ziel der türkischen EU-Vollmitgliedschaft gefordert.

In diese Richtung geht auch die jüngste Initiative der deutschen Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel, die Ende vergangener Woche in einem Schreiben an die konservativen Regierungschefs erneut eine „privilegierte Partnerschaft“ anstelle einer Vollmitgliedschaft für die Türkei verlangte. Selbst wenn die EU-Außenminister Ende dieser Woche eine Annäherung in der Türkei-Frage erzielen, könnte somit ein Wahlsieg Merkels bei der deutschen Bundestagswahl am 18. September eine weitere Hürde für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen bringen.

Großbritannien, das derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, ist dagegen einer der stärksten Unterstützer Ankaras. Nach Ansicht der Regierung in London sollten die Verhandlungen wie vereinbart beginnen, da die Türkei alle Bedingungen erfüllt habe, hieß es in Kreisen der britischen EU-Präsidentschaft am Montag. Selbst wenn die Außenminister am Donnerstag vermutlich auch über Kroatien reden werden, hat der EU-Vorsitz bisher keine Initiative ergriffen, um eine neuerliche Sitzung der EU-Sondergruppe („Task Force“) zu Kroatien einzuberufen.

Obwohl die EU im Grundsatz die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Ankara am 3. Oktober vereinbart hat, wird dafür die Zeit knapp. Grund dafür ist, dass das notwendige Verhandlungsmandat bisher nicht beschlossen ist, dazu ist eine einstimmige Entscheidung aller 25 Mitgliedstaaten erforderlich. Bei dem Treffen in Celtic Manor sind keine formellen Beschlüsse vorgesehen, das nächste formelle Treffen der EU-Außenminister findet erst am Tag der geplanten Eröffnung der Verhandlungen, dem 3. Oktober, in Luxemburg statt. Sollten die Außenminister eine Einigung erzielen, könnte jeder andere Ministerrat das Verhandlungsmandat absegnen. Das Mandat könnte auch von den EU-Botschaftern angenommen werden, die am Mittwoch über das Thema beraten, doch das Türkei-Thema gilt als politisch zu heikel, sodass eine Einigung auf dieser Ebene unwahrscheinlich ist.

Chirac erhöht Druck auf Türkei

Der französische Präsident Jacques Chirac hat den Druck auf die Türkei weiter erhöht. Ankara solle im Hinblick auf die geplanten EU-Beitrittsverhandlungen seine Haltung gegenüber Zypern klarstellen und Sicherheiten anbieten, dass es seine Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union einhalten werde, forderte Chirac am Montag in Paris. Frankreich will beim EU-Außenministertreffen in Wales Ende der Woche die Nichtanerkennung Zyperns durch die Türkei zum Diskussionsthema machen.

Die Weigerung Ankaras, Zypern anzuerkennen, entspreche „nicht der Einstellung, die man von einem Beitrittskandidaten erwartet“, hatte Chirac am Freitag nach Beratungen mit Kommissionspräsident José Manuel Durao Barroso in Paris erklärt. Premierminister Dominique de Villepin hat mit einer Verschiebung der Beitrittsverhandlungen gedroht, die am 3. Oktober beginnen sollen, falls die Türkei Zypern nicht anerkennt. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten Ende 2004 zwar nicht explizit eine völkerrechtlich verbindliche Anerkennung Zyperns durch die Türkei verlangt. In der EU war man aber davon ausgegangen, dass die Ausdehnung der Zollunion als indirekte Anerkennung Zyperns zu werten sei. Ankara hat zwar ein Protokoll über die Erweiterung der Zollunion um die im Mai 2004 beigetretenen zehn neuen EU-Mitglieder unterzeichnet; in einer separaten Erklärung hat die Türkei jedoch festgehalten, dass sie mit der Unterzeichnung des Protokolls nicht die Republik Zypern anerkannt habe.

„Nach ihrer einseitigen Erklärung zu Zypern muss die Türkei ihre Haltung klarstellen und den 25 Ländern der EU ihre Bereitschaft versichern, ihre Verpflichtungen vollständig einzuhalten“, sagte Chirac. „Die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei ist nur der Beginn eines langen und schwierigen Weges, dessen Ende ungewiss ist“, sagte der französische Staatschef. In Deutschland ist die CDU/CSU-Opposition für den Fall ihrer Regierungsübernahme nach den Bundestagswahlen entschlossen, eine türkische Vollmitgliedschaft in der EU zu verhindern. Die CDU/CSU tritt dafür ein, der Türkei statt einer Mitgliedschaft eine „privilegierte Partnerschaft“ anzubieten.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Türkei: Weiter Tauziehen um EU-Verhandlung
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen