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Türkei fühlt sich als Sieger

In Ankara trat am Sonntag ein entspannter Recep Erdogan vor die Presse. Im Hemd und mit lässigen Gesten zog der türkische Ministerpräsident nach dem Doppel-Referendum auf Zypern Bilanz.

Bescheiden war er dabei nicht gerade. „Den größten Erfolg seit 50 Jahren” habe die türkische Diplomatie errungen, sagte Erdogan. Selbstbewusst verwies er darauf, dass Ankara alles für eine Lösung auf der geteilten Mittelmeerinsel getan habe. Als Konsequenz aus dem Nein der griechischen Zyprioten zur Wiedervereinigung fordert Erdogan ein Ende der Isolierung des türkischen Inselteils. Die Türken erleben ein völlig neues Gefühl: Zum ersten Mal sind nicht sie die Buhmänner auf Zypern, sondern die Griechen.

Erdogan hatte Anfang des Jahres die Wende in der türkischen Zypern-Politik eingeleitet. Die Türkei werde den Griechen in Sachen Kompromissbereitschaft immer einen Schritt voraus sein, kündigte er an. Dabei ging es dem Premier vor allem um Pluspunkte für die türkische EU-Bewerbung.

Zunächst brachte Erdogan die mächtigen türkischen Militärs dazu, die neue Linie zumindest nicht zu torpedieren. Geschickt bootete er dann den als Hardliner bekannten türkisch-zypriotischen Volksgruppenführer Rauf Denktas bei den Verhandlungen aus – unter dem Druck der Schutzmacht Türkei musste Denktas das UNO-Modell eines neuen Bundesstaates auf Zypern anerkennen und eine Volksabstimmung über die Staatsgründung zulassen. Erdogan profitierte auch davon, dass der griechisch-zypriotische Präsident Tassos Papadopoulos mit seiner offenen Ablehnung des UNO-Plans freiwillig die Rolle des Spielverderbers übernahm.

Nun, da die griechischen Zyprioten die Wiedervereinigung abgelehnt, die Türken auf Zypern aber mit Ja gestimmt haben, sieht Erdogan sein Ziel erreicht: Die Türken auf der Insel und auch die Regierung in Ankara stehen als moralische Sieger da. Über Jahre seien immer die Türken für die Teilung von Zypern verantwortlich gemacht worden. „Jetzt hat sich die Lage völlig gewandelt”, sagte Erdogan am Sonntag. „Die Karten werden neu gemischt.” Dieser Erfolg nötigt selbst den Kritikern von Erdogans Regierungspartei AKP Respekt ab. Er sei der AKP bisher immer skeptisch gegenüber gestanden, schrieb der Chef-Korrespondent der Massenzeitung „Hürriyet”, Sedat Ergin, am Sonntag. Nun aber sei Lob angebracht.

Das gewachsene türkische Selbstbewusstsein ist auch schon international zu spüren. Die Türkei drängt darauf, das Handelsembargo gegen den türkischen Inselteil aufzuheben. Dabei kann sie sich auf die Rückendeckung der USA verlassen, die schon vor dem Referendum laut über die Eröffnung einer diplomatischen Vertretung im türkischen Inselteil nachgedacht haben. Auch die Verärgerung der EU über die griechischen Zyprioten hilft den Türken dabei, die Isolierung des türkischen Sektors zu überwinden.

Im eigenen Verhältnis zur EU wird die Türkei ebenfalls selbstbewusster auftreten als bisher. So sieht sie keinen Grund für einen Truppenrückzug aus Zypern, obwohl die türkischen Soldaten damit ab dem 1. Mai völkerrechtlich zu Besatzungstruppen auf EU-Gebiet werden. Obwohl die griechische Republik Zypern ab kommende Woche als EU-Mitglied ein Veto-Recht besitzt und damit theoretisch die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Türkei blockieren kann, rechnet Ankara nicht damit, dass dies geschieht. Im Gegenteil: Nach eigener Auffassung hat die Türkei durch ihre konstruktive Haltung im Zypern-Konflikt europäische Reife bewiesen – und sollte dafür auch belohnt werden.

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