In der türkischen Gesellschaft gebe es einen Konsens, das Kopftuchverbot aufzuheben, sagte Erdogan. In den Institutionen des türkischen Staates gebe es diesen Konsens dagegen nicht.
Hier liegt das Problem, sagte Erdogan. Die nach wie vor einflussreiche Armee und andere laizistische Kräfte im türkischen Staatsapparat sind strikt gegen eine Aufhebung des Kopftuchverbotes. Sie sehen in der Kopfbedeckung ein Symbol des politischen Islam. Kopftücher sind deshalb unter anderem in Universitäten und im türkischen Parlament verboten, aber auch im öffentlichen Dienst, wie in Gerichten, Banken und Krankenhäusern.
Erdogans bürgerlich-islamische Regierungspartei AKP hat ihren Wählern versprochen, das Kopftuchproblem zu lösen, scheute bisher aber vor einer offenen Konfrontation mit den Laizisten zurück. In den vergangenen Tagen hatte sich in der Türkei der Streit um das Kopftuch wieder zugespitzt, nachdem die Universität im osttürkischen Erzurum den Kopftuch tragenden Müttern einiger Studenten die Teilnahme an der Prüfungsfeier für ihre Kinder untersagt hatte. Erdogans Regierung nannte dies eine Schande.
Umfragen zufolge tragen in der Türkei zwei Drittel aller Frauen ein Kopftuch, wenn sie aus dem Haus gehen. Erdogans Ehefrau und Töchter tragen ebenfalls den turban, das islamisch gebundene Kopftuch. Daher wird der Regierungschef auch nie samt Frau in den Präsidentenpalast eingeladen; Präsident Ahmet Necdet Sezer ist ein strenger Verfechter der Trennung von Staat und Islam.