Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat den Prozess gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan als rechtswidrig gewertet und der Türkei empfohlen, das Verfahren neu aufzurollen. Im Öcalan-Prozess vor einem Staatssicherheitsgericht habe die Türkei 1999 gegen das Grundrecht auf einen fairen Prozess verstoßen, erklärte das Straßburger Gericht am Donnerstag.
“Menschenunwürdige Behandlung”
Die Türkei will Öcalan nun einen neuen Prozess ermöglichen. Ein neuer Prozess oder die Wiederaufnahme des Verfahrens seien angemessene Mittel, um den festgestellten Verstoß gegen das Grundrecht auf einen fairen Prozess zu korrigieren, erklärte das Straßburger Gericht. Es rügte unter anderem, dass Öcalan nach seiner Verschleppung aus Kenia im Februar 1999 eine Woche in Polizeigewahrsam war, ohne einen Anwalt sprechen zu können.
Später seien die Anwälte nur kurz zu ihm gelassen worden und hätten mit ihrem Mandanten nur in Anwesenheit von Sicherheitskräften sprechen können. Auch hätten sie erst sehr spät Einsicht in die Akten erhalten. Öcalan selbst habe die Anklageschrift erst unmittelbar vor Beginn seines Prozesses im Juni 1999 lesen dürfen.
Grundrecht auf einen fairen Prozess
Nach der Verurteilung zum Tode am 29. Juni 1999 wegen Separatismus habe Öcalan mit einer Hinrichtung rechnen müssen – zumal es eine breite öffentliche Debatte über eine mögliche Vollstreckung des Urteils gegeben habe. Mit dieser Angst habe er bis Oktober 2002 leben müssen, als nach der Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei seine Strafe in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Unter diesen Umständen habe das Todesurteil gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung verstoßen. (Artikel 3 der Menschenrechtskonvention).
Reaktionen aus der Türkei
Die Regierung werde tun, was sie tun müsse, sagte ein Regierungssprecher dem amtlichen Fernsehsender TRT. Die türkische Bevölkerung müsse aber nicht befürchten, dass der Anführer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK frei kommen werde. Der Vize-Fraktionsvorsitzende der AKP im türkischen Parlament, Sadullah Erdingans, zeigte sich enttäuscht über das Urteil. Natürlich ist das nicht die Entscheidung, die wir uns gewünscht haben, sagte er in Ankara.
In der Sache hart
Die beiden Anwälte wollen nach eigenen Angaben nun mit dem auf der Gefangeneninsel Imrali inhaftieren Öcalan sprechen. Es sei möglich, dass Öcalan einen neuen Prozess fordere. Öcalan sitzt auf Imrali in Einzelhaft. Einmal pro Woche dürfen seine Anwälte ihn besuchen. Den Verteidigern wird immer wieder vorgeworfen, sie betätigten sich dabei als Kuriere zwischen Öcalan und der PKK.
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