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Türkei will Diplomaten aus Prozess gegen Journalisten drängen

Protest bei Botschaften eingelegt - Präsident Erdogan erbost.
Protest bei Botschaften eingelegt - Präsident Erdogan erbost. ©AP
Die Türkei wehrt sich gegen die Präsenz ausländischer Diplomaten als Beobachter im Prozess gegen zwei regierungskritische Journalisten. Wie am Montag aus Diplomatenkreisen verlautete, legte die Regierung in Ankara offiziell bei den beteiligten Botschaften Protest ein.
Prozess gegen kritische Journalisten

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor die ungebetenen Prozessbeobachter mit einem Wutausbruch bedacht: “Dies ist nicht Ihr Land, dies ist die Türkei”, empörte er sich in einer Rede.

Die Regierung in Ankara ärgert sich vor allem über Veröffentlichungen von Diplomaten im Onlinedienst Twitter, wie ein türkischer Diplomat sagte. Dies könne als Einmischung in die unabhängige Arbeit des Gerichts gewertet werden und verstoße gegen die “Unparteilichkeit” von Diplomaten. Justizminister Bekir Bozdag bezeichnete das Verhalten der Diplomaten türkischen Medienberichten zufolge als “inakzeptabel”.

Erdogan ließ kritische Journalisten vor Gericht stellen

In Istanbul hatte am Freitag der höchst umstrittene Prozess gegen zwei regierungskritischen Journalisten der Zeitung “Cumhuriyet” begonnen. Chefredakteur Can Dündar und sein Kollege Erdem Gül müssen sich nach einem Bericht über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Syrien wegen des Vorwurfs der Spionage und des Verrats von Staatsgeheimnissen verantworten. Erdogan hatte persönlich Strafanzeige gestellt.

Zahlreiche Diplomaten beim Prozessauftakt

Zum Prozessauftakt waren etwa 200 Besucher ins Gericht gekommen, darunter Kollegen, Oppositionspolitiker, interessierte Bürger und ausländische Diplomaten, darunter der deutsche Botschafter Martin Erdmann sowie Vertreter anderer EU-Länder. Der britische Generalkonsul Leigh Turner veröffentlichte mehrere Fotos im Onlinenetzwerk Twitter, darunter ein Selfie mit Dündar.

Vonseiten Österreichs war die Generalkonsulin in Istanbul, Christine Wendl, zu dem Prozess gekommen, wie Außenamtssprecher Thomas Schnöll der APA auf Anfrage sagte. Wendl habe sich dazu aber nicht öffentlich geäußert. “Wir haben keinen Tweet abgesetzt.” Laut Schnöll wurden die Botschafter aller Staaten, die Diplomaten zu der Verhandlung schickten, ins türkische Außenministerium in Ankara zitiert, darunter Österreichs Botschafter Klaus Wölfer.

Erdogan wütend über Berichterstattung

Erdogan warf den beteiligten Diplomaten am Samstag in einer Rede vor, sie hätte mit ihrem Besuch im Gericht “Stärke demonstrieren” wollen. “Wer sind Sie? Was machen Sie da?”, rief er wütend. Die Diplomaten könnten im Rahmen ihrer Vertretungen tätig werden, ansonsten sei eine Erlaubnis nötig.

Am Montag legte Erdogan in einer weiteren Rede nach. Ohne Turner namentlich zu nennen, kritisierte er, dass sich ein Generalkonsul für einen Journalisten einsetzte, der wegen Spionagevorwürfen vor Gericht stehe. “Und als ob das noch nicht genügt, macht er auch noch ein Foto mit ihm, auf dem er über beide Ohren grinst und stellt es ins Netz”, sagte Erdogan laut der Nachrichtenagentur Anadolu.

Ausschluss der Öffentlichkeit

Der Prozess findet künftig hinter verschlossenen Türen statt. Die Richter gaben zum Prozessauftakt einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft statt. Die Unterstützer der beiden Angeklagten im Gerichtssaal reagierten empört auf den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Türkei kein Land der Pressefreiheit

Gegen den Prozess hatten der Europarat, internationale Journalistenverbände sowie unter anderen mehr als hundert Autoren in einem offenen Brief protestiert, unter ihnen Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa. Kritiker werfen der türkischen Regierung ein zunehmend repressives Vorgehen gegen oppositionelle Medien vor. Auf einer Rangliste zum Stand der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei, die vor mehr als zehn Jahren Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnahm, auf Platz 149 von 180 Staaten. Dutzende Journalisten sind in dem Land inhaftiert.

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