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Türkei - Wählen, bis es dem Präsidenten gefällt

Nachdem eine Regierungsbildung gescheitert ist, sind Neuwahlen unvermeidbar
Nachdem eine Regierungsbildung gescheitert ist, sind Neuwahlen unvermeidbar ©EPA
Nachdem auch die Koalitionsgespräche zwischen der Regierungspartei AKP und der oppositionellen MHP gescheitert sind, bereitet sich die Türkei auf Neuwahlen vor. "Jetzt wird Erdogan entscheiden", schrieb die türkische Tageszeitung "Hürriyet" am Dienstag, und spielte damit auf das Ablaufen der Frist zur Regierungsbildung am Sonntag an.
Niemand will mit Erdogan
Türkei noch ohne Regierung

Denn wenn sich bis dahin keine Koalition gebildet haben sollte – worauf alles hinausläuft – kann Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan eine vorgezogene Parlamentswahl im Herbst ausrufen. Als Datum wird bereits der 22. November genannt. “Hinter den Koalitionsspielchen wurde die letzte Gardine zugezogen”, war am Dienstag in der linken Tageszeitung “Bir Gün” zu lesen.

Als Gründe für das Scheitern der Gespräche zwischen der AKP und der ultranationalistischen MHP wurden unter anderem unerfüllbare Forderungen der Opposition genannt. Der MHP-Chef Devlet Bahceli soll für eine gemeinsame Regierungsbildung verlangt haben, dass sich Präsident Erdogan an die Verfassung halte und sich nicht mehr in das Tagesgeschäft einmischen soll. Zudem, so zitierten türkische Medien Bahceli, habe dieser gefordert, dass die Ende 2013 gegen frühere AKP-Minister laut gewordenen Korruptionsvorwürfe von Justizbehörden aufgeklärt werden. Forderungen, die AKP-Regierungschef Ahmet Davutoglu alle zurückwies.

Erdogan verfehlte Mehrheit

Schon im Vorfeld der Koalitionsgespräche räumten Beobachter einer Regierungsbildung wenig Chancen ein. Denn die AKP hat bei den Parlamentswahlen am 7. Juni ihre parlamentarische Mehrheit verloren, und Staatspräsident Erdogan verfehlte damit die erforderlichen Stimmen, um im Alleingang ein Präsidialsystem einzuführen. Deswegen, so lautet eine Theorie der Regierungskritiker, habe die AKP eine Regierungsbildung überhaupt nicht in Erwägung gezogen, sondern mit den zähen Verhandlungen nur Zeit gewonnen, um Neuwahlen vorzubereiten. Erdogan selbst wurde von türkischen Medien mit der Aussage zitiert, dass die “türkische Nation” die Gelegenheit haben sollte, den “Fehler” der letzten Parlamentswahl zu “korrigieren”.

So war es auch wenig überraschend, als in der vergangenen Woche die Koalitionsgespräche zwischen der AKP und der sozialdemokratischen CHP gescheitert waren. Bereits da hatte der Ministerpräsident Davutoglu von möglichen Neuwahlen gesprochen.

Riskante Taktik der AKP

Dennoch fährt die AKP eine riskante Taktik, denn laut aktuellen Umfrageergebnissen wird sie bei Neuwahlen sogar an Stimmen verlieren. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Wahlumfrage des Meinungsforschungsinstituts Gezici würden 39, 2 Prozent der Befragten der AKP ihre Stimme geben. Bei den Parlamentswahlen am 7. Juni war die Regierungspartei noch auf knapp 41 Prozent gekommen. Zulegen würde hingegen die pro-kurdische HDP, sie käme bei Neuwahlen derzeit auf 14,1 Prozent. Damit würde die HDP erneut klar die Zehn-Prozent-Hürde überspringen. Die prokurdische Partei hatte bei der Parlamentswahl 13 Prozent erreicht.

Erdogans Plan, die HDP aus dem Parlament zu werfen, und die absolute Mehrheit zu holen, wäre dann erneut gescheitert. Aber was, so fragen sich gerade viele Türken, geschieht dann? Wird dann so lange gewählt, bis Erdogan das Ergebnis passt? Der Journalist und Erdogan-Biograf Rusen Cakir witzelte vergangene Woche auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: “Wie geht es weiter, wenn die AKP nach einer Neuwahl immer noch nicht alleine regieren kann? Wird dann auch diese Wahl wiederholt?”

Ergebnis der Wahlen im Juni

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