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Türkei-Feldzug: Angst vor Bündnisfall und IS-Kämpfern

Türkische Truppen vor wenigen Tagen vor der Stadt Ras al Ain.
Türkische Truppen vor wenigen Tagen vor der Stadt Ras al Ain. ©APA
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat vor der Möglichkeit gewarnt, dass der türkische Einmarsch in Nordsyrien die NATO-Staaten in den Krieg hineinzieht. Außerdem: Der Ausbruch von fast 800 Mitgliedern der Terrormiliz "Islamischer Staat" im Zuge der türkischen Militäroffensive in Syrien mache der EU "große Sorgen".
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Die Türkei ist als NATO-Mitglied mit Deutschland, den USA und anderen Staaten über einen Beistandspakt verbunden.

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"Für mich ist das ziemlich außerirdisch, was dort geschieht", sagte Asselborn am Montag dem Bayerischen Rundfunk. Er verwies auf Vereinbarungen der syrischen Kurden mit der Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad.

Türkische Truppen sind mit arabisch-syrischen Milizen in Nordsyrien einmarschiert, um die dort herrschende Kurdenmiliz YPG zu vertreiben. Der Außenminister Luxemburgs nannte den türkischen Feldzug "ein Verbrechen".

"Einspringen, um Türkei zu helfen"

"Stellen Sie sich vor, Syrien oder Alliierte von Syrien schlagen zurück und greifen die Türkei an", sagte Asselborn. "Ich habe NATO-Mitglied gesagt, dann sage ich auch Artikel 5. Das heißt, der Beistandspakt besteht. Auf Deutsch heißt das, dass alle NATO-Länder, wenn die Türkei angegriffen würde, dann einspringen müssten, um der Türkei zu helfen. Darum sage ich außerirdisch."

Asselborn rief die EU-Außenminister auf, bei ihrem (heutigen) Treffen zu beschließen, keine Waffen mehr an die Türkei zu liefern. "Was mich positiv stimmt, ist, dass Deutschland, Frankreich, Niederlande, Finnland und Schweden das schon gesagt haben", sagte er. "Aber Sie wissen auch, dass Erdogan die Waffen nicht aus Europa bezieht. Er hat andere Quellen, um sich für diese Operation Waffen zu beschaffen."

"Große Sorgen" wegen IS-Kämpfern

Der Ausbruch von fast 800 Mitgliedern der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Zuge der türkischen Militäroffensive in Syrien macht der EU "große Sorgen". Dies erklärte EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn am Montag vor Beginn des EU-Außenministerrates in Luxemburg.

In den kurdischen Gefängnissen in Nordsyrien sind rund 12.000 IS-Kämpfer inhaftiert, darunter bis zu 3.000 Ausländer. Ein Teil der Gefängnisse liegt unmittelbar in der Kampfzone. Berichten zufolge arbeitet Ankara mit islamistischen Gruppierungen zusammen und unterstützte über Jahre hinweg den IS.

Hahn wiederholte, dass die Europäische Union nicht militärisch engagiert sei und dies auch nicht vor habe. Das Ziel bestehe darin, eine politische Lösung zu finden. Nach mehr als acht Jahren Bürgerkrieg in Syrien soll ein neuer Verfassungsausschuss am 30. Oktober erstmals in Genf zusammentreten. Darin habe man "große Hoffnungen" gesetzt, so Hahn. Jetzt werde jedoch alles von der türkischen Militäraktion überlagert.

Beschlüsse der EU gefordert

Der EU-Kommissar erwartet wie Außenminister Alexander Schallenberg "klare Beschlüsse" von den EU-Ländern. "Wir werden sehr eindeutige politische Maßnahmen treffen", erklärte er am Montag. Zu welchen Maßnahmen abgesehen von einem Stopp von Waffenlieferungen an die Türkei die Gespräche führen, werde man sehen, so der EU-Kommissar. Eine Diskussion über den EU-Beitrittskandidatenstatus der Türkei wird es Hahns Ansicht nach nicht geben. Die Verhandlungen seien bekanntlich seit Jahren eingefroren.

Die Hintergründe

Die Türkei hatte am vergangenen Mittwoch eine lange angedrohte Militäroffensive gegen die syrische Kurdenmiliz (YPG) in Nordsyrien begonnen, die besonders in Europa auf breite Kritik stößt und auf die Errichtung einer sogenannten "Sicherheitszone" abzielt, in der derzeit in der Türkei lebende arabische syrische Flüchtlinge angesiedelt werden sollen.

Am Montag gab die Kurdenverwaltung in Nordsyrien eine Einigung mit der Regierung in Damaskus über eine Stationierung syrischer Truppen nahe der Grenze zur Türkei bekannt, um die türkische Offensive in Nordsyrien zurückzuschlagen. Syrische Truppen befanden sich am Montag bereits auf dem Weg zur türkischen Grenze.

(APA)

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