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Tschechische Koalition zerbrochen

Die tschechische christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) hat am Mittwochabend den Austritt aus der Koalitionsregierung des sozialdemokratischen (CSSD) Ministerpräsidenten Stanislav Gross beschlossen.

Die Entscheidung wurde auf einer außerordentlichen Sitzung des KDU-CSL-Zentralkongresses in Prag gefällt. Als Grund für den Koalitionsaustritt gaben die Christdemokraten die Weigerung von Gross an, wegen seiner Wohnungsaffäre zurückzutreten. „Unser Beschluss ist kein Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Regierungskoalition, sondern gegen Gross“, betonte der KDU-CSL-Miroslav Kalousek nach der Tagung.

Der KDU-CSL-Zentralkongress hat gleichzeitig allen ihren Ministern empfohlen, ihre Demission einzureichen. Die KDU-CSL hat drei Minister in der Regierung: Außenminister Cyril Svoboda, Verkehrsminister Milan Simonovsky und Umweltminister Libor Ambrozek. Alle drei wollten schon am morgigen Donnerstag zurücktreten, hieß es. Die Regierung verliert mit dem Koalitionsaustritt der KDU-CSL ihre Mehrheit im Parlament. Der Beschluss der KDU-CSL wurde mit einer eindeutigen Mehrheit gefasst: 76 Stimmen dafür, 14 Enthaltungen und kein Mitglied des Zentralkongresses war dagegen.

Schon am Freitag wird sich die Regierung einer Misstrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus stellen müssen, die von der oppositionellen konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) beantragt wurde. Der KDU-CSL-Kongress hat gleichzeitig beschlossen, bei dieser Misstrauensabstimmung gegen die Regierung zu votieren. Ob das Kabinett Gross stürzen wird, hängt nun von den Kommunisten (KSCM) ab, weil die Stimmen der ODS und der KDU-CSL dafür nicht reichen. Über die Position der KSCM will ihr Zentralkomitee am Donnerstag Nachmittag beraten.

Nach dem Koalitionsaustritt der KDU-CSL wird die Regierungskoalition nur mehr über 80 anstatt 101 Stimmen in dem 200-köpfigen Abgeordnetenhaus verfügen. Die mitregierende rechtsliberale Freiheitsunion (US-DEU) hatte zuvor angekündigt, die Koalition auch zu verlassen, falls das die Christdemokraten täten, weil sie (US-DEU) an keiner Regierung beteiligt sein wollten, die auf irgendeine Weise auf die Kommunisten angewiesen wäre. Nach späteren Erklärungen wollte jedoch die US-DEU der KDU-CSL zunächst nicht folgen. Nach Worten des US-DEU-Chefs und Justizministers Pavel Nemec wird seine Partei am Freitag nicht für den Misstrauensantrag stimmen. Die US-DEU, deren Klub im Unterhaus zehn Mitglieder hat, kann in eventuellen Neuwahlen kaum auf den Einzug ins Parlament hoffenn, weil sie seit langem in den Wählerumfragen tief unter der fünfprozentigen Wahlhürde liegt.

Die tschechische Regierungskoalition war nach den Parlamentswahlen 2002 entstanden. Damals wurde sie bis Sommer 2004 durch den damaligen CSSD-Chef und Premier Vladimir Spidla geführt. Nach einem schweren Debakel der CSSD bei den Europawahlen im Juni 2004 trat Spidla zurück und wurde durch Gross ersetzt.

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