Viele Tschechen verbringen den Sonntag nämlich in ihrem Wochenendhäuschen. Umfragen deuten ein knappes Rennen zwischen den regierenden Sozialdemokraten (CSSD) von Premier Jiri Paroubek und der konservativen Bürgerpartei ODS von Mirek Topolanek an. In den meisten Befragungen liegt die ODS in Führung.
Keine der 26 Parteien, die sich um die 200 Sitze im Abgeordnetenhaus bewerben, wird voraussichtlich eine absolute Mehrheit erzielen. Auch die bisherige Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, Christdemokraten (KDU-CSL) und liberaler Freiheitsunion (US-DEU) wird sich rechnerisch kaum ausgehen. Die Freiheitsunion dürfte an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Die Christdemokraten sind ebenso ein potenzieller Partner für die ODS.
Auch die Grünen könnten eine entscheidende Rolle spielen. Laut Umfragen werden sie erstmals den Sprung ins Parlament schaffen. Diese Partei, die sich gegen den Ausbau der Atomenergie in Tschechien ausspricht, wird vom ehemaligen Präsidenten Vaclav Havel unterstützt. Der derzeitige Präsident Vaclav Klaus hat sich hingegen für die ODS ausgesprochen. Klaus ist Ehrenvorsitzender der Partei. Die Parteiführungen von ODS und CSSD haben im Vorfeld der Wahl eine Große Koalition praktisch ausgeschlossen. Die CSSD rühmt sich eines Wirtschaftswachstums von sechs Prozent im Vorjahr. Die ODS kritisiert hingegen die Förderung von Auslandsinvestoren sowie die steigende Verschuldung, die rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukt ausmacht (erlaubtes Maastrich-Kriterium: 60 Prozent). Die ODS ist für die Einführung einer flat tax von 15 Prozent, wovor die CSSD warnt. Die CSSD will ihrerseits die Einführung des Euro im Jahr 2010, die ODS hat es damit nicht so eilig.
Auch beim Thema EU sind die Parteien unterschiedlicher Ansicht. Während die CSSD für eine weitere, enge Kooperation mit Brüssel ist, will die ODS in mehreren Bereichen das Heft nicht aus der nationalen Hand geben. Tschechien ist seit 2004 EU-Mitglied und seit 1999 bei der NATO. Mit Ausnahme der Kommunisten (KSCM) bekennen sich alle relevanten Parteien zu dieser West-Orientierung Tschechiens.
Paroubek (CSSD) und Topolanek (ODS) lieferten einander am Donnerstagabend das vierte und letzte TV-Duell, das im Sender Nova ausgestrahlt wurde. Paroubek versprach in seiner Botschaft eine Gesellschaft mit gleichen Chancen für alle, nicht nur für Auserwählte. Dabei warnte er vor einer herrschaftlichen Koalition, die Änderungen plane, die man später nicht mehr korrigieren könne. Jene Experimente, die die ODS beabsichtige, würden die bisherigen sozialen Garantien der Bürger vernichten.
Topolanek forderte die Wähler auf, nach acht Jahren sozialdemokratischer Regierungen eine Änderung der Regierungsgarnitur zu wählen und den Antritt der Kommunisten zu stoppen. Die Freiheit und die Demokratie sind in Gefahr, betonte der ODS-Chef. In Anspielung auf das rasante Auftreten Paroubeks sagte Topolanek weiters, in der tschechischen Politik seien Anständigkeit und persönliche Verantwortung verloren gegangen.
Der Wahlkampf an sich verlief eher derb. Die Kandidaten warfen einander Korruption, Kontakte zur Unterwelt sowie sexuellen Missbrauch von Minderjährigen vor. Es gab auch einige brutale Zwischenfälle. Am Wochenende wurde ein CSSD-Kanidat im ostböhmischen Pardibuce (Pardubitz) von hinten angegriffen: Mit einer Metall-Stange bekam er zwei Schläge verpasst.
Ein kommunistischer Parlamentsabgeordneter wurde Ende April auf offener Straße verprügelt und schwer verletzt. Für Aufsehen sorgte kürzlich auch eine Ohrfeige, die der sozialdemokratische Gesundheitsminister David Rath von einem prominenten ODS-Mitglied, dem einstigen Vizechef der Partei, Miroslav Macek, auf einem Mediziner-Kongress bekommen hat.