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Tschechien: Parlamentspräsident gewählt

Mehr als zwei Monate nach der Parlamentswahl in Tschechien ist am Montag das Patt zwischen Rechts- und Linksparteien im Prager Unterhaus erstmals durchbrochen worden.

Mit 174 der 200 Stimmen wurde der wenig bekannte sozialdemokratische Abgeordnete Miloslav Vlcek (45) zum Parlamentspräsidenten gewählt. Damit ist der Weg frei für die Wahl einer neuen Regierung. Zuvor waren sechs Versuche gescheitert, einen Unterhauschef zu bestimmen.

Wahl zeitlich begrenzt

Allerdings handelt es sich um eine zeitlich beschränkte Wahl. Der Sozialdemokrat Miloslav Vlcek musste sich nämlich vor der Wahl nach einer Absprache der Parteien öffentlich verpflichten, dass er zurücktreten wird, bevor er in die Lage käme, einen Politiker mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Laut der tschechischen Verfassung unternimmt der Staatspräsident zwei Versuche zur Beauftragung der Regierungsbildung. Scheitern diese, fällt dieses Recht dem Unterhauschef zu. Nach einem dritten erfolglosen Anlauf kommt es automatisch zu Neuwahlen.

Vlcek könnte seinen Parteifreund, den amtierenden Regierungschef Jiri Paroubek, mit der Regierungsbildung beauftragen, befürchten die Mitte-Rechts-Parteien. Die siegreiche konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS), die christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) und die Grünen haben nach der Wahl Anfang Juni eine Regierungskoalition vereinbart. Allerdings kommen sie im Unterhaus nur auf 100 Mandate, die bisher regierenden Sozialdemokraten (CSSD) und die Kommunisten haben gemeinsam ebenso viele. Die ODS unter ihrem Chef Mirek Topolanek war bei der Parlamentswahl stärkste Kraft geworden, und leitet daraus den moralischen Anspruch auf das Amt des Regierungschefs ab.

Für die kommenden Tage wird der Rücktritt von Paroubeks Kabinett erwartet. Klaus dürfte dann Topolanek zum Premier ernennen und ihn offiziell mit der Regierungsbildung beauftragen. Bisher hatte Topolanek nur den Auftrag, Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien zu führen.

Topolanek will nun eine von CSSD, KDU-CSL und Grünen geduldete ODS-Minderheitsregierung bilden. In diesem Kabinett würden auch einige parteilose Experte vertreten sein, deren Ernennung die CSSD zustimmen sollte. Die Sozialdemokraten würden auch den Posten des Unterhauschefs bekommen. Vlcek würde dann höchstwahrscheinlich durch Paroubek ersetzt. Schon Ende der 1990er Jahre hatten sich ODS und CSSD – mit umgekehrten Vorzeichen – die Macht im Land auf diese Weise geteilt. CSSD-Chef Milos Zeman war Regierungschef, der damalige ODS-Chef Klaus führte das Unterhaus.

Über dem Projekt der ODS-Minderheitsregierung stehen aber noch einige Fragezeichen. Die konservative Partei besteht auf einer Duldung durch alle drei Parteien, um „jegliche Art einer Großen Koalition ODS/CSSD“ zu verhindern. Die Sozialdemokraten hätten aber eine bilaterale Absprache mit der Topolanek-Partei lieber.

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