AA

Trotz Prüfungen blieben Verluste geheim

©AP
Der "Tag der Prüfer" war am Mittwoch, dem 37. Verhandlungstag, im BAWAG-Prozess. Zwei Wirtschaftsprüfer von der KPMG sagten als Zeugen aus.

Sie sagten, sie hätten trotz der Milliardenverluste

durch die Sondergeschäfte mit Wolfgang Flöttl im Jahr 2000 keine

Redepflicht gesehen, da die ÖGB-Garantie als Sicherheit für die

Ausfälle gedient hätte. Zwei Prüfer in der BAWAG-Innenrevision

erklärten, die Sondergeschäfte seien von ihnen als „Geschäfte des

Vorstands” betrachtet und daher nicht kritisch hinterfragt worden.

KPMG-Wirtschaftsprüfer Johann Zöchling war neben dem – nun

angeklagten – Robert Reiter der Zweitunterzeichner der BAWAG-Bilanz

vom Jahr 2000. Zöchling verteidigte im Zeugenstand das Testat mit der

ÖGB-Garantie. Der damalige ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch hatte im

Namen des Gewerkschaftsbunds im Februar 2001 zu Gunsten der damals

noch mehrheitlich im ÖGB-Eigentum befindlichen BAWAG die

Haftungserklärung abgegeben. Ohne die ÖGB-Garantie hätte die Bilanz

nicht testiert werden können, versicherte Zöchling heute. Die Bank

sei vor dem Problem gestanden, dass die vorhandenen Sicherheiten bei

weitem nicht mehr ausgereicht hätten, um die Verluste von 1,4 Mrd.

Euro aus den so genannten Sondergeschäften mit Flöttl abzudecken, so

der Zeuge.

Die ÖGB-Garantie sei daher „sinnvoll”, „rechtlich gültig und

wirtschaftlich fundiert” gewesen. An entsprechendem Deckungsvermögen

im Gewerkschaftsbund hätte letztlich kein Zweifel bestanden. Auf die

so genannte Redepflicht angesprochen, die dem Gesetz zufolge

Wirtschaftsprüfer in bestimmten Fällen zur Information nach außen

verpflichtet, entgegnete Zöchling, die BAWAG sei durch die Verluste

nicht in ihrer Existenz bedroht gewesen. Daher sei die Redepflicht

nicht zum Tragen gekommen.

Mehr Zweifel hatte offenbar der heutige zweite Zeuge, der damalige

Prüfungsleiter der BAWAG, Florian Botschen. Der

20-Milliarden-Schilling-Verlust durch die Sondergeschäfte mit Flöttl

im Jahr 2000 sei ihm damals „dramatisch” erschienen, schilderte

Botschen heute vor Gericht. Wenige Monate darauf wechselte er seinen

Job und ging von der KPMG zur Bank Winter, wo er heute

Vorstandsdirektor ist. Dass sowohl sein Vorgänger als Prüfungsleiter

der BAWAG wie auch sein Nachfolger von der KPMG letztlich zur BAWAG

bzw. in die BAWAG-Gruppe wechselten, wundert Botschen nicht. Auch er

habe ein Angebot der BAWAG erhalten, enthüllte der Zeuge heute, das

Angebot der Bank Winter sei aber attraktiver gewesen.

Seine Aufgabe beschrieb Botschen als dem Abschlussprüfer Reiter

untergeordnet. Die Frage der Redepflicht sei damals zwar erörtert

worden, gemeinsam seien die Wirtschaftsprüfer dann zum Ergebnis

gelangt, die Redepflicht in diesem Fall nicht auszuüben. Bei der

BAWAG sei keine Bestandsgefährdung vorgelegen und keine Verletzung

wesentlicher gesetzlicher Bestimmungen, begründete Botschen diese

Haltung.

Wenig Informationen über die Sondergeschäfte mit Flöttl hatte

offenbar die BAWAG-Innenrevision. Wie zwei Mitarbeiter, Erwin

Trukeschitz und Hans Gröschl, heute als Zeugen aussagten, galten

diese als Geschäfte des Vorstands. Die Sonderprüfberichte und die

diesen zu Grunde liegenden Unterlagen wurden laut Gröschl in einem

verschließbaren Stahltresor aufbewahrt. Über die Schlüssel dazu

verfügte nur ein ganz kleiner Kreis, weshalb Gröschl für den

Aufbewahrungsort den Ausdruck „Tabernakel” prägte. Bis 1998 wurden –

nach einer Reklamation der Nationalbank – jährliche Berichte

erstellt, ehe diese Art der Geschäfte durch einen neuen Bericht der

Innenrevision per Ende Oktober 1998 für beendet erklärt wurde –

fälschlicherweise, wie heute feststeht. Die BAWAG hatte auch noch

danach Gelder auf Flöttls Spekulationen gesetzt – und verloren.

Helmut Elsner hatte am Vormittag zeitweise wegen Erschöpfung die

Verhandlung verlassen. Zunächst musste ihn die Richterin zu mehr

Konzentration ermahnen („Es hat keinen Sinn, wenn Sie mir immer

einschlafen!”), ehe sie ihm eine verlängerte Mittagspause verordnete.

Am Nachmittag nahm Elsner wieder durchgehend am Prozess teil.

  • VIENNA.AT
  • Bawag
  • Trotz Prüfungen blieben Verluste geheim
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen