Sie sagten, sie hätten trotz der Milliardenverluste
durch die Sondergeschäfte mit Wolfgang Flöttl im Jahr 2000 keine
Redepflicht gesehen, da die ÖGB-Garantie als Sicherheit für die
Ausfälle gedient hätte. Zwei Prüfer in der BAWAG-Innenrevision
erklärten, die Sondergeschäfte seien von ihnen als Geschäfte des
Vorstands” betrachtet und daher nicht kritisch hinterfragt worden.
KPMG-Wirtschaftsprüfer Johann Zöchling war neben dem – nun
angeklagten – Robert Reiter der Zweitunterzeichner der BAWAG-Bilanz
vom Jahr 2000. Zöchling verteidigte im Zeugenstand das Testat mit der
ÖGB-Garantie. Der damalige ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch hatte im
Namen des Gewerkschaftsbunds im Februar 2001 zu Gunsten der damals
noch mehrheitlich im ÖGB-Eigentum befindlichen BAWAG die
Haftungserklärung abgegeben. Ohne die ÖGB-Garantie hätte die Bilanz
nicht testiert werden können, versicherte Zöchling heute. Die Bank
sei vor dem Problem gestanden, dass die vorhandenen Sicherheiten bei
weitem nicht mehr ausgereicht hätten, um die Verluste von 1,4 Mrd.
Euro aus den so genannten Sondergeschäften mit Flöttl abzudecken, so
der Zeuge.
Die ÖGB-Garantie sei daher sinnvoll”, rechtlich gültig und
wirtschaftlich fundiert” gewesen. An entsprechendem Deckungsvermögen
im Gewerkschaftsbund hätte letztlich kein Zweifel bestanden. Auf die
so genannte Redepflicht angesprochen, die dem Gesetz zufolge
Wirtschaftsprüfer in bestimmten Fällen zur Information nach außen
verpflichtet, entgegnete Zöchling, die BAWAG sei durch die Verluste
nicht in ihrer Existenz bedroht gewesen. Daher sei die Redepflicht
nicht zum Tragen gekommen.
Mehr Zweifel hatte offenbar der heutige zweite Zeuge, der damalige
Prüfungsleiter der BAWAG, Florian Botschen. Der
20-Milliarden-Schilling-Verlust durch die Sondergeschäfte mit Flöttl
im Jahr 2000 sei ihm damals dramatisch” erschienen, schilderte
Botschen heute vor Gericht. Wenige Monate darauf wechselte er seinen
Job und ging von der KPMG zur Bank Winter, wo er heute
Vorstandsdirektor ist. Dass sowohl sein Vorgänger als Prüfungsleiter
der BAWAG wie auch sein Nachfolger von der KPMG letztlich zur BAWAG
bzw. in die BAWAG-Gruppe wechselten, wundert Botschen nicht. Auch er
habe ein Angebot der BAWAG erhalten, enthüllte der Zeuge heute, das
Angebot der Bank Winter sei aber attraktiver gewesen.
Seine Aufgabe beschrieb Botschen als dem Abschlussprüfer Reiter
untergeordnet. Die Frage der Redepflicht sei damals zwar erörtert
worden, gemeinsam seien die Wirtschaftsprüfer dann zum Ergebnis
gelangt, die Redepflicht in diesem Fall nicht auszuüben. Bei der
BAWAG sei keine Bestandsgefährdung vorgelegen und keine Verletzung
wesentlicher gesetzlicher Bestimmungen, begründete Botschen diese
Haltung.
Wenig Informationen über die Sondergeschäfte mit Flöttl hatte
offenbar die BAWAG-Innenrevision. Wie zwei Mitarbeiter, Erwin
Trukeschitz und Hans Gröschl, heute als Zeugen aussagten, galten
diese als Geschäfte des Vorstands. Die Sonderprüfberichte und die
diesen zu Grunde liegenden Unterlagen wurden laut Gröschl in einem
verschließbaren Stahltresor aufbewahrt. Über die Schlüssel dazu
verfügte nur ein ganz kleiner Kreis, weshalb Gröschl für den
Aufbewahrungsort den Ausdruck Tabernakel” prägte. Bis 1998 wurden –
nach einer Reklamation der Nationalbank – jährliche Berichte
erstellt, ehe diese Art der Geschäfte durch einen neuen Bericht der
Innenrevision per Ende Oktober 1998 für beendet erklärt wurde –
fälschlicherweise, wie heute feststeht. Die BAWAG hatte auch noch
danach Gelder auf Flöttls Spekulationen gesetzt – und verloren.
Helmut Elsner hatte am Vormittag zeitweise wegen Erschöpfung die
Verhandlung verlassen. Zunächst musste ihn die Richterin zu mehr
Konzentration ermahnen (Es hat keinen Sinn, wenn Sie mir immer
einschlafen!”), ehe sie ihm eine verlängerte Mittagspause verordnete.
Am Nachmittag nahm Elsner wieder durchgehend am Prozess teil.