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Türkei hält israelische Gaza-Untersuchung für wertlos

Die Türkei hat kein Vertrauen in eine von Israel eingesetzte Untersuchungs­kom­mission zur Aufklärung der Erstürmung der Gaza-Hilfsflottille, in deren Verlauf neun türkische Staatsangehörige von israelischen Militärangehörigen in internationalen Gewässern erschossen wurden. Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte am Montag vor der Presse in Ankara, eine unabhängige Untersuchung könne nicht von Israel durchgeführt werden, das den Überfall zu verantworten habe.
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Israel sitze auf der Anklagebank, wolle aber gleichzeitig Staatsanwalt und Richter sein, erklärte Außenminister Ahmet Davutoglu. Die türkische Regierung verlange, dass die Untersuchung “unter der direkten Kontrolle der Vereinten Nationen” erfolge. Israel und die Türkei müssten daran mitwirken, sagte der Außenminister. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte nach der Kaperung die Bildung einer internationalen Untersuchungskommission gefordert.

Davutoglu sagte, sollte Israel sich weiterhin einer internationalen Untersuchung widersetzen, behalte sich die Türkei das Recht vor, die bilateralen Beziehungen neu auf den Prüfstand zu stellen und auch Sanktionen zu verhängen. Wie diese Sanktionen aussehen sollen, sagte er nicht. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Israel Staatsterrorismus vorgeworfen und den türkischen Botschafter aus Tel Aviv zurückrufen lassen. Ankara beschloss, die Beziehungen mit Israel auf ein Minimum zu reduzieren.

Die israelische Regierung hat am Montag offiziell die Einrichtung einer Untersuchungskommission zum Militäreinsatz gegen die Gaza-“Solidaritätsflotte” gebilligt. Der israelische Rundfunk meldete, Vorsitzender der Kommission solle der ehemalige Richter des Obersten Gerichts in Jerusalem, Yaakov Tirkel, werden. Weitere Kommissionsmitglieder sind ein Völkerrechtsexperte, Shabtai Rosen, und ein Reservegeneral, Amos Chorev. Als internationale Beobachter sind der nordirische Politiker und Friedensnobelpreisträger David Trimble sowie der auf internationales Recht spezialisierte kanadische Jurist Ken Watkin vorgesehen.

Die Kommission soll die Vereinbarkeit der Seeblockade des Gazastreifens mit internationalem Recht klären. Außerdem soll die Erstürmung des türkischen Schiffs “Mavi Marmara” durch israelische Soldaten untersucht werden, bei der am 31. Mai neun Solidaritätsaktivisten getötet worden waren. Ferner soll die Kommission Handlungen und Identitäten der Organisatoren der Gaza-Hilfsflottille und der teilnehmenden Aktivisten überprüfen.

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle wurde unterdessen von der türkischen Zeitung “Sabah” mit den Worten zitiert, die “wachsende Bedeutung” der Türkei in der Region stelle keine Erschwernis für ihren EU-Beitrittsprozess dar. Er bezog sich damit sowohl auf das türkische Nein im UNO-Sicherheitsrat gegen verschärfte Iran-Sanktionen als auch auf die dramatische Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der Türkei und Israel. Der tschechische Kommissar lehnt das von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy propagierte Konzept einer “privilegierten Partnerschaft” mit Ankara ab. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte jüngst erklärt, die zaudernde Haltung der Europäischen Union gegenüber einem Beitritt der Türkei führe zu einer Abkehr Ankaras vom Westen.

Die am Montag in Luxemburg versammelten EU-Außenminister haben inzwischen Hinweise aus Israel auf eine baldige Grenzöffnung zum Gazastreifen. “Wir haben erste Signale aus Israel, dass sich das auch in eine etwas bessere Richtung bewegt, dass auch Hilfslieferungen wieder zugelassen werden”, sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft hatte erhöhten diplomatischen Druck auf Israel zur Aufhebung der Blockade angekündigt. Die Europäische Union will auch den Aufbauprozess eines lebensfähigen palästinensischen Staates stärker unterstützen. Die EU-Kommission hat deswegen den Palästinensern zollfreien Zugang zum europäischen Markt in Aussicht gestellt. Dieser Schritt werde palästinensische Exporte in die Union erleichtern und den Privatsektor wiederbeleben, hieß es in einer Erklärung von Handelskommissar Karel de Gucht, der vergangene Woche in Brüssel mit dem palästinensischen Wirtschaftsminister Hassan Abu Libdeh zu Gesprächen zusammengetroffen war. Ausfuhren aus den palästinensischen Gebieten sollten in unbegrenzter Menge zollfrei sein.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat Israel unterdessen neuerlich vorgeworfen, mit der Blockade gegen internationales Recht zu verstoßen. Die gesamte Bevölkerung werde für etwas bestraft, für das sie keine Verantwortung trage, hieß es am Montag in einer IKRK-Erklärung. Die vollständige Blockade des von der radikalen Palästinenserorganisation Hamas kontrollierten Küstengebiets stelle nach den Bestimmungen der Genfer Konventionen eine unzulässige Kollektivbestrafung der Zivilbevölkerung dar, hatte auch der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen erklärt.

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