Seit dem Wahlsieg seiner Regierungspartei AKP hat Erdogan darüber nachgedacht, wie die Crew dieses Flugzeuges aussehen soll. Der Pilot ist und bleibt er selbst, doch bei den anderen Aufgaben wird es viele Veränderungen geben. Am Donnerstag legte Erdogan letzte Hand an seine Kabinettsliste, die er dem amtierenden Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer vorlegen wollte. Erdogans neue Regierung soll ein betont reformorientiertes Gesicht erhalten. Bekennende Wirtschaftsliberale erhalten ebenso Schlüsselpositionen wie EU-Befürworter.
Für das Amt des Außenministers will Erdogan pro forma noch einmal den Präsidentschaftskandidaten Abdullah Gül nominieren – sollte Gül, wie erwartet, in den nächsten zehn Tagen zum Staatschef gewählt werden, dürfte er durch den bisherigen EU-Verhandlungsführer Ali Babacan ersetzt werden. Der erst 40-jährige Babacan würde damit eines der wichtigsten Ämter im Staat übernehmen. Als neue EU-Verhandlungsführer ist Egemen Bagis im Gespräch, ein pro-europäischer Außenpolitiker und enger Berater Erdogans.
Der bei in- und ausländischen Investoren beliebte Finanzminister Kemal Unakitan soll als stellvertretender Ministerpräsident künftig die Rolle eines wirtschaftspolitischen Superministers übernehmen. Der frühere Investmentbanker Mehmet Simsek könnte Babacans Posten als Wirtschaftsminister übernehmen. Diese beiden Ernennungen dürften von den Märkten als Zeichen weiterer Reformbereitschaft der Regierung begrüßt werden.
Zugleich soll die Zahl der Frauen im Kabinett von einer auf mindestens zwei steigen. Neben der amtierenden Frauenministerin Nimet Cubukcu wird der Eintritt der AKP-Vizevorsitzenden Edibe Sözen in die Regierung erwartet. Insgesamt wird die Zahl der Ministerien nach Presseberichten von 23 auf 25 steigen. Als einziger prominenter Vertreter des religiösen AKP-Parteiflügels dürfte der bisherige Parlamentspräsident Bülent Arinc ins Kabinett einziehen. Mehrere bisherige Ministers werden ihre Plätze räumen müssen.
Da der scheidende Staatspräsident Sezer als Gegner der AKP bekannt ist, wurde am Donnerstag in Ankara nicht ausgeschlossen, dass Erdogans Kabinettsliste nicht ohne Einsprüche des Staatschefs bleiben würde. In diesem Fall will Erdogan aber nicht mit Sezer über alternative Kandidaten für die beanstandeten Minister-Aspiranten verhandeln, sondern einfach abwarten. In weniger als zwei Wochen könnte Erdogan seine Liste nämlich einem neuen Präsidenten vorlegen, von dem er weniger Widerspruch zu erwarten hätte – Abdullah Gül.