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Türkei: Dritter Tag des Papstbesuches

Papst Benedikt XVI. hat am dritten Tag seines Besuchs in der Türkei indirekt zu mehr religiöser Freiheit in dem mehrheitlich moslemischen Land gemahnt.   | Aufruf zu Gastfreundschaft |

Die Achtung der Religionsfreiheit sei ein wichtiges Kennzeichen der Europäischen Union, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung des Papstes und des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in Anspielung auf den angestrebten EU-Beitritt der Türkei. Das katholische und das orthodoxe Kirchenoberhaupt betonten dabei am Donnerstag im Phanar in Istanbul auch die Notwendigkeit der Einheit der Christen. Der Papst hob in einer Ansprache die Bedeutung der Einheit der Kirche gerade im heutigen Europa hervor. In der heutigen Zeit, in der die Säkularisierung den Einfluss der christlichen Traditionen geschwächt hat und diese sogar zurückweist, sei eine Erneuerung des Glaubens unbedingt notwendig. „Die Trennungen zwischen den Christen sind ein Skandal und behindern die Verbreitung des Evangeliums“, sagte der Papst in der St.-Georgs-Kathedrale nach der orthodoxen Göttlichen Liturgie (Gottesdienst) zum Fest des Heiligen Andreas, des Vorgängers der Patriarchen von Konstantinopel. Papst und Ökumenischer Patriarch verwiesen beide auf das gemeinsame Erbe, das Katholiken und Orthodoxie grundsätzlich verbindet. In der gemeinsamen Erklärung heißt es: „Der Heilige Geist wird uns helfen, den großen Tag der Wiederherstellung der vollkommenen Einheit vorzubereiten.“ Eindringlich wird vor „verstärktem Auftreten von Säkularisierung, Relativismus und Nihilismus besonders in der westlichen Welt“ gewarnt. Zugleich mahnten sie, dass die Religionsfreiheit in der EU gewahrt bleiben müsse.

Der Papst erneuerte das Angebot seines Vorgängers Johannes Paul II. über einen Gestaltung des päpstlichen Dienstes „als Dienst der Liebe“. Die orthodoxe Kirche erkennt den Bischof von Rom bloß als „primus inter pares“ (Erster unter Gleichen) an, nicht jedoch seine Jurisdiktion über die Gesamtkirche, seine (1870 dekretierte) Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens und der Moral oder seinen Titel als Stellvertreter Christi auf Erden. Benedikt XVI. hat bereits mehrfach bekräftigt, dass zur kirchlichen Einheit nicht mehr gefordert werden dürfe, als im ersten Jahrtausend da war. Die Kirchenspaltung von 1054 zwischen Ost- und Westkirche ging als „Großes Schisma“ in die Geschichte ein.

Patriarch Bartholomaios I. bezeichnete die Begegnung mit dem Papst als einen weiteren Schritt auf dem „unbeirrten Weg zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft unserer Kirchen“. Anders als die römisch-katholische Kirche mit 1,1 Milliarden Gläubigen ist die Orthodoxie nicht zentralistisch organisiert. Ihre weltweit rund 300 Millionen Anhänger verteilen sich auf 15 eigenständige (autokephale) Kirchen, die miteinander in Gemeinschaft stehen.

Der Besuch Benedikts in Istanbul war von scharfen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Tausende türkische Polizisten waren im Einsatz. Während Benedikt am Vorabend in der Bosporus-Metropole eintraf, nahm die Polizei laut Medienberichten 18 Männer fest, die Verbindungen zur Terrororganisation Al-Kaida haben sollen. Komplett gesperrte Straßenzüge führten in der Zwölf-Millionen-Stadt zu riesigen Verkehrsstaus. Rund 150 nationalistische Demonstranten protestierten gegen den geplanten Besuch des Papstes in der Hagia Sophia. Das Bauwerk sei türkisch und werde türkisch bleiben, erklärten sie auf Bannern und forderten die Öffnung für muslimische Gebete. Die im 6. Jahrhundert errichtete einstmals größte christliche Kirche der Welt wurde 1453 nach der türkischen Eroberung Konstantinopels als Moschee genutzt. Seit 1934 ist sie ein Museum. Der Papst wollte die Hagia Sophia noch am Donnerstag aufsuchen, geplant war ferner ein Besuch in der nahen Blauen Moschee. Der Besuch ist sein erster in einer Moschee seit seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren und der zweite eines Papstes überhaupt. (2001 besuchte Johannes Paul II. die Omayaden-Moschee in Damaskus).

Der Vatikan zog eine positive Bilanz des bisherigen Verlaufs des Papst-Besuchs. „Es scheint mir, dass die Reise gut verläuft und dass sie schon positive Ergebnisse gebracht hat, und zwar sowohl auf politischer Ebene als auch was die öffentliche Meinung in der Türkei betrifft“, sagte der mit dem Papst mitreisende Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone der Zeitung „Avvenire“ (Donnerstag-Ausgabe).

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