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"Trilogie des Wiedersehens" im Burgtheater

Stefan Bachmann zeigt Botho Strauß' Kunstschickeria-Kritik als durchkomponiertes Gemälde mit Blick in die Vergangenheit. Und wie ein teures Bild in einer Kunstgalerie ist auch dieser knapp dreistündige Abend im Burgtheater: Schön anzusehen, aber mitnehmen kann man es nicht.

Wie ein einsames Polaroid wirkt die nur wenige Quadratmeter große Öffnung in der vorderen Bühnenwand, nur wenige Sekunden haben Markus Hering und Regina Fritsch für ihre knappen Dialoge, bis das Bild seine volle Schärfe entwickelt hat und mit einem Surren die nächste Momentaufnahme dieser verworrenen Beziehung geschossen wird. Mit diesem kunstvollen Effekt eröffnete Stefan Bachmann gestern, Freitag, seine Inszenierung von Botho Strauß’ 1977 uraufgeführter “Trilogie des Wiedersehens”. Und wie ein teures Bild in einer Kunstgalerie ist auch dieser knapp dreistündige Abend im Burgtheater: Schön anzusehen, aber mitnehmen kann man es nicht.

Gerade in Zeiten, wo Shakespeare eher weniger als mehr gelungen auf ein paar Figuren eingedampft wird, wie zuletzt bei Stephan Kimmigs “Macbeth”-Inszenierung im Akademietheater, wirkt es fast schon wie ein Wunder, wenn im Programmheft 16 Schauspieler aufgelistet sind. Jeder einzelnen Figur Profil zu verleihen, ist eine Herausforderung, die Bachmann trotz oder gerade wegen der Abwesenheit von Nebenrollen in hohem Maße gelingt. Folgerichtig liegt die größte Stärke des Abends bei den Akteuren. Dass allerdings ausgerechnet Markus Hering als im Zentrum des Stücks stehender Kunstvereins-Direktor Moritz die einzige Fehlbesetzung des Abends ist, ist schade. Der für seine Rolle in Gert Jonkes “Freier Fall” mit einem Nestroy ausgezeichnete Schauspieler fühlt sich als quasi Allein-Herrscher in den unendlichen Weiten fast leerer Bühnen und noch unendlicheren Textkaskaden im Jonke-Kosmos sichtlich wohler als hier.

Die den Akteuren zugebilligte Zeit, Eindruck zu hinterlassen, ist freilich begrenzt: In zahllosen kurzen Blenden führt Botho Strauß die zur Vorbesichtigung der neuen Ausstellung “Kapitalistischer Realismus” geladenen Freunde des Kunstvereins vor, die Dialoge sind bald mehr von zwischenmenschlichen Belanglosigkeiten und intimen Tragödien geprägt als von der Betrachtung (der hier nicht gezeigten) Kunstwerke. Der eigentliche Skandal, nämlich die vom Vorstand beschlossene Absetzung der Schau aufgrund des doch sehr kompromittierenden Gemäldes “Karneval der Direktoren”, rückt in den Hintergrund.

In rascher Bildfolge wechseln die Szenen, die gedachten Schnitte vollführt das in weiß gehaltene Bühnenbild von Hugo Gretler bravourös: Mithilfe einer fast ständig in Bewegung befindlichen Drehbühne jagt Bachmann die illustre Runde durch zwei sich aufs Haar gleichende Ausstellungshallen, die jeweils durch kahle Hinterzimmer voneinander getrennt sind. Wo es das Tempo nicht erlaubt, verfällt der gerade nicht beschäftigte Teil des Ensembles in cooles Statisten-Dasein, einmal sogar selbstironisch im Chor bedeutungsvoll mit den Köpfen nickend.

Die Dramen, die sich in dieser durch Scheidungen, Anbahnungen und Verwandtschaftsverhältnisse verwobenen Gruppe kunstaffiner Durchschnittsbürger entwickeln, zeigen auch in der Kürze Wirkung. So etwa der nervöse Tobsuchtsanfall des naiven Druckers Richard, der sein Leben von einer neuen Offset-Maschine zerstört sieht: Hier findet Dietmar König in Schlaghosen und 70er Jahre-Frisurverbrechen zur Höchstform. Aber auch Jörg Ratjen begeistert in seinen cholerischen Ausbrüchen als überforderter Supermarkt-Verkaufsleiter und Liebhaber der wenig begabten Malerin Marlies, die Melanie Kretschmann als zwischen Minderwertigkeitskomplex und erotischem Selbstbewusstsein pendelnde B-Künstlerin anlegt, die gerne mal mit dem zurückgewiesenen “Mädchen für alles” Johanna (mitreißend: Katharina Lorenz) anbandelt. Über, oder besser neben allen steht der Schriftsteller Peter, dem Philipp Hauß verzweifelte Entrücktheit einhaucht.

Perfekt in die 70er Jahre getaucht (Kostüme: Annabelle Witt) hat Bachmann auch den optisch an Andy Warhol gemahnenden Schauspieler Franz (Roland Koch mit beigem Männerhandtäschchen) und seinen erfolglosen und am Tag vor seinem Geburtstag von seiner Freundin verlassenen Schauspieler-Sohn Answald, dem Daniel Jesch einen zutiefst glaubhaften Vaterhass bei gleichzeitigem Minderwertigkeitskomplex verleiht, dass es abwechselnd eine Freude und ein tiefes Empfinden von Mitleid ist, ihm dabei zuzusehen. Alexandra Henkel spielt sich im Laufe des Abends bemerkenswert von der ignorierten Säuferin und Bald-Ex-Arztgattin Ruth zur unfreiwilligen Gegenspielerin Susannes (Fritsch säuselt und schimpft sich tapfer durch den Abend), deren einzige Daseinsberechtigung die Herzenseroberung des Direktors Moritz ist. Noch-Ehemann Lothar (Juergen Maurer) sieht gutmütig zu. Mitreißend fehlplatziert in der jungen Runde ist das Drogisten-Ehepaar Martin und Viviane, dem Johann Adam Oest und Barbara Petritsch liebevolle Alters-Erotik einhauchen. Selbst Michael Masula darf als sonst am Rande stehender Wärter (“Ich bin dafür zuständig, dass hier heute nicht geraucht wird”) seine Figur zum Leben erwecken, was er mit wenigen Gesten meistert.

Dass Stefan Bachmann sich entschlossen hat, diese schwer in den 70er Jahren verhaftete Kunstschickeria-Kritik von Botho Strauß nicht im geringsten ins Heute zu holen, schadet dem Abend keineswegs. Vielmehr wird die “Trilogie des Wiedersehens” so zu einem Klassiker, der durchaus so stehenbleiben kann: Als Kunstwerk, das einen Blick in die Vergangenheit gewährt. Und man muss es ja nicht zu Hause aufhängen – oder heiß diskutieren. Freundlicher Applaus und Bravos für die Akteure reichen da auch.

“Trilogie des Wiedersehens” von Botho Strauß
Regie: Stefan Bachmann.
Weitere Termine im Burgtheater am 8. März und 13. April (jeweils 17 Uhr), 16. April (19 Uhr) sowie 23. April und am 3. Mai (jeweils 18 Uhr)
Web: http://www.burgtheater.at

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