Die Volkspartei wiederum erwartet sich durch ihr Transferkonto mehr Treffsicherheit. Ebenso wie die Politiker waren auch die geladenen Experten völlig uneins, ob die Umsetzung des ÖVP-Vorhabens Sinn hätte.
Die ungewöhnlich lange Enquete – angesetzt war sie im Plenarsaal des Nationalrats für nicht weniger als zehn Stunden – ist quasi eine Folgeerscheinung der Grundsatzrede von Finanzminister Josef Pröll (V) vom vergangenen Herbst. Da hatte der Vizekanzler mit seiner Forderung nach Einrichtung eines Kontos für Transferleistungen wochenlang die Wogen hochgehen lassen. Schließlich verständigten sich die Parteien darauf, im neuen Jahr den Fachleuten ihre Einschätzung abzuverlangen.
Der Haken an der Sache: Die Experten urteilten, wie es gemäß ihrer politischen Nähe zu erwarten war. Ablehnung zum Transferkonto kam von den Fachleuten der Arbeiterkammer sowie von der SPÖ nahe stehenden Wirtschaftsforschern wie Alois Guger. Auf der anderen Seite bemühten sich von der ÖVP gerne aufgebotene Experten wie der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal oder der Finanzwissenschaftler Franz Prettenthaler, die Vorteile solch eines Modells darzulegen.
Prettenthaler, Erfinder des Transferkontos, sieht das grundsätzliche Probleme bei der Umverteilung im unkoordinierten Nebeneinander von Transfers des Bundes, der Länder und der Gemeinden, was zur Kumulation ohne gegenseitige Abstimmung führe. Problematisch seien auch Schnittstellen bei den Leistungen, wodurch etwa eine Alleinerzieherin mit einem Kind eine Einkommensminderung hinnehmen müsse, wenn sie von Teilzeit auf Vollerwerb wechsle.
Mazal zog einen etwas überraschenden Vergleich: “Das Transferkonto ist wie ein Küchenmesser – Chance und Gefahr.” Die Chance bestehe unter anderem darin, dass durch dieses Konto der Neidgesellschaft entgegengewirkt werde. Denn der Sozialstaat sei gefährdet, wenn keine Transparenz bestehe. Einblick haben dürften allerdings nur die Bürger selbst und ausgewählte Behörden. Der Wirtschaftsforscher Gerhard Lehner befürwortete das Transferkonto insofern, als zwar Bund und Länder über ihre jeweiligen Leistungen Bescheid wüssten, die Zusammenschau dieser Daten aber unvollkommen sei.
AK-Experte Josef Wöss sah den Sinn des Kontos für den Bürger nicht. Im Normalfall reiche ein Blick auf den Kontoauszug, um zu erkennen, wie viele Leistungen man beziehe. Mehr Transparenz sei in anderen Bereichen vonnöten, befand Wirtschaftsforscher Alois Guger, auf dessen Studie “Umverteilung durch den Staat in Österreich” sich die SPÖ in ihrer Argumentation beim Thema Verteilungsgerechtigkeit stützt. Wenig Transparenz herrsche nämlich bei Vermögen und Selbstständigeneinkommen, während es bei Transfers eine “relativ hohe Transparenz” gebe.
Die Arbeiterkammer-Experten machten klar, dass aus ihrer Sicht beim Vermögen angesetzt werden sollte, um die Kosten der Finanzkrise wieder in Griff zu bekommen. So gebe es 2009 bei den Steuereinnahmen vor allem einen Einbruch bei Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuern auf Dividenden. Damit verschiebe sich die Steuerstruktur noch stärker zu Lohn- und Umsatzsteuer, gab Christa Schlager von der AK zu bedenken.
Die SPÖ ist ganz auf dieser Linie. Klubchef Josef Cap sprach sich deutlich für die Einführung einer Bankensteuer aus. Dazu will er eine Aufhebung der Spekulationsfrist bei Aktien sowie einer Finanztransaktionssteuer. Sozialminister Hundstorfer mahnte eine Entfernung der Steuerprivilegien für Stiftungen ein. VP-Klubobmann Karlheinz Kopf verwahrte sich gegen “Banken-Bashing”, Wirtschaftstreuhänder Karl Bruckner wandte sich sogleich gegen eine Vermögenssteuer. Diese wäre zu kompliziert, nicht gut für den Standort und überhaupt spreche der internationale Trend dagegen. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Markus Beyrer, verwies darauf, dass schon fast 50 Prozent keine Lohnsteuern mehr bezahlten. Ein Wohlstandsniveau könne nicht gehalten werden, wenn man sich zu stark vom Leistungsgedanken entferne.
Die ÖVP-Vertreter warben für das Transferkonto. Wirtschaftsminister Mitterlehner meinte, es bringe auch den Österreichern etwas, weil sie auf diesem Weg erfahren würden, welche Förderungen ihnen vielleicht noch zusätzlich zustünden. Kopf deutete immerhin an, dass es durch das Konto für den ein oder anderen auch weniger Transfers geben könnte. Um Treffsicherheit zu gewähren, brauche es eben konkrete Informationen, Daten und Fakten, wie sie das Konto bieten würde.
Die SPÖ ist überzeugt, dass es einzig um die Kürzung bzw. Besteuerung von Sozialleistungen gehe und nicht um mehr Information: Bei 96 Prozent der Transfers handle es sich um Versicherungs- oder einkommensunabhängige Leistungen wie die Familienbeihilfe. 94 Prozent würden vom Bund zur Verfügung gestellt, sollten also der Politik bekannt sein: “Wenn wir das nicht wissen, dann gute Nacht”, meinte Hundstorfer.
Ebenso großen Widerstand gegen das Transferkonto kam von den Grünen. Statt das Geld etwa von den Stiftungen zu holen, solle es offenbar gerade von jenen genommen werden, die mehr bräuchten, kritisierte Kogler. Sozialsprecher Karl Öllinger beklagte ebenso wie auch Redner der SPÖ, dass bis jetzt nicht klar sei, was denn überhaupt in dem Konto aufscheinen solle.
Allerdings traten die Grünen ebenso wie Abgeordnete von Freiheitlichen und BZÖ dafür ein, die Förderungen mit weniger Bürokratie-Aufwand zu verteilen. BZÖ-Chef Josef Bucher verlangte, dass es nur noch eine eintreibende und gleichzeitig auszahlende Stelle geben solle. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sprach sich für das von der deutschen FDP propagierte Modell Bürgergeld aus, wo alle Transfers an einer Stelle zusammenliefen. Gegen ein Transferkonto an sich haben BZÖ und FPÖ nichts.