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Tranq: So zerstört die "Zombie-Droge" Leben und Existenzen

Hier wird die Wunde einer Tranq-Süchtigen gereinigt.
Hier wird die Wunde einer Tranq-Süchtigen gereinigt. ©ANGELA WEISS / AFP
Die Opioidkrise in den USA nimmt eine neue, gefährliche Wendung. Mit "Tranq" taucht eine Droge auf, die billig, leicht verfügbar und extrem gefährlich ist.

In den Straßen von Kensington (Philadelphia) erinnert das Bild an Szenen aus der Horror-TV-Serie „The Walking Dead”. Drogenabhängige bewegen sich träge und in Zeitlupe über die Gehwege, ähnlich wie die Zombies aus der Serie. Einige von ihnen wirken so regungslos, als ob sie mitten auf dem Asphalt eingeschlafen wären. Ein Großteil dieser Menschen zeigt erschreckende körperliche Symptome: Sie haben entzündete Wunden, eitrige Abszesse und tiefe Hautgeschwüre, besonders an den Beinen und Füßen. Einige dieser Geschwüre sind so tief, dass sie bis auf die Knochen reichen. Ein weiteres beunruhigendes Detail ist die hohe Anzahl an Rollstühlen, in denen Drogenabhängige mit amputierten Gliedmaßen sitzen, die infolge von Nekrosen entfernt werden mussten.

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Tranq' löst schwere Entzündungen aus. ©ANGELA WEISS / AFP

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Eine Drogen-Epidemie

Die Opioidkrise ist in den USA ein weitverbreitetes Problem. Tatsächlich sind 48 der 50 Bundesstaaten von dieser Drogen-Epidemie betroffen. Die Zahl der Toten ist von 350 im Jahr 2018 auf 3500 im Jahr 2021 angestiegen. Ärzte, die sich in Philadelphia ehrenamtlich engagieren, geben einen Einblick in die verheerenden Auswirkungen dieser Drogen: „Der Stoff führt dazu, dass sich Blutgefäße derart zusammenziehen, dass schon nach kurzer Zeit Gewebe abstirbt. Das Zeug frisst die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes auf.”

"Nie wieder gehe ich durch diese Hölle”

Die Bekämpfung von "Tranq" stellt Gesundheitsexperten und Strafverfolgungsbehörden vor erhebliche Herausforderungen. Da "Tranq" kein Opiat ist, wirkt das üblicherweise verwendete Narcan, ein Mittel gegen Überdosierungen, nicht bei mit "Tranq" versetztem Fentanyl. Hinzu kommt, dass Teststreifen, die "Tranq" nachweisen können, noch selten sind. Viele Konsumenten fürchten den Entzug von "Tranq", da er mit extremen physischen und psychischen Schmerzen einhergeht. Ein 34-jähriger Abhängiger beschrieb seine Erfahrung mit dem Entzug gegenüber dem „Philadelphia Inquirer” mit den Worten: „Nie wieder gehe ich durch diese Hölle”.

50 Mal stärker als Heroin

Fentanyl, ein synthetisches Opioid, das 50 Mal stärker als Heroin wirkt, hat in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Es bindet schneller und enger an die Opioid-Rezeptoren im Gehirn. Schon eine winzige Menge, vergleichbar mit einer kleinen Prise Salz, kann tödlich sein. Fentanyl kann in Laboren überall hergestellt werden, was es von Drogen wie Heroin und Kokain unterscheidet, die von Ernten abhängig sind und über komplexe Schmuggelrouten transportiert werden müssen. Die kurze Wirkdauer von Fentanyl führt dazu, dass Süchtige es mehrmals täglich konsumieren, was es für Dealer und Kartelle finanziell attraktiver macht als Heroin.

"Tranq": Auch in Europa schon angekommen

Doch nun gibt es eine noch besorgniserregendere Droge, die in den USA an Popularität gewinnt: Xylazin, auch bekannt als "Tranq". Erstmals im Jahr 2001 dokumentiert, wurde es in Philadelphia in über 90 Prozent aller illegalen Drogenfunde entdeckt. Von dort aus verbreitete es sich in fast alle Bundesstaaten der USA und schließlich auch nach Europa, wobei es bereits in Großbritannien und Lettland nachgewiesen wurde.

"Tranq" - in den USA legal

"Tranq" ist nicht nur billig, sondern wurde bis vor kurzem in den USA auch nicht als illegale Droge eingestuft, was zu seiner schnellen Verbreitung beigetragen hat. Überdosierungen sind häufig, insbesondere da Xylazin oft anderen Drogen beigemischt wird, ohne dass die Konsumenten davon wissen. Mit dem Verbot des Heroinanbaus und -handels durch die Taliban befürchten Experten nun eine Ausbreitung von Opioiden wie Fentanyl und "Tranq" in Europa.

Opioidkrise in den USA: Zwei Tote pro Tag in San Francisco

Die Auswirkungen dieser Opioidkrise in den USA sind verheerend. Fentanyl-Missbrauch ist mittlerweile die Haupttodesursache bei 18- bis 49-Jährigen. Die Epidemie hat auch die jüngere Generation erreicht, wobei Drogen wie Antidepressiva und Schmerzmittel, die mit Fentanyl versetzt sind, auf Plattformen wie Instagram, Snapchat und Etsy angeboten werden. Besonders betroffen ist San Francisco, wo laut NZZ derzeit durchschnittlich zwei Personen täglich an einer Überdosis sterben, ein Anstieg von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch in Kanada werden Fentanyl und "Tranq" immer problematischer, und in Europa gibt es erste Anzeichen einer Krise.

Braucht es strengere Gesetze?

Die politische Reaktion, insbesondere in San Francisco, ist gespalten. Während einige glauben, dass der Kampf gegen Drogen nicht mit Strafverfolgung und überfüllten Gefängnissen gewonnen werden kann und stattdessen Schadensbegrenzungsmaßnahmen wie Konsumstellen und mehr Sozialwohnungen erforderlich sind, argumentieren andere, dass die Stadt eine falsche Toleranz gegenüber Drogensüchtigen und Dealern zeigt. Ihrer Meinung nach ist dies der Grund, warum die Fentanyl-Krise San Francisco so hart getroffen hat, und es bedarf strengerer Gesetze und mehr Polizeipräsenz.

Was ist Tranq?

  • "Tranq" ist der Straßenname für Xylazin.
  • Xylazin selbst ist eigentlich ein Tierarzneimittel, das als Beruhigungsmittel und Muskelrelaxans für Tiere verwendet wird. In den vergangenen Jahren wurde es jedoch als Zusatzstoff in illegalen Drogen entdeckt, oft ohne das Wissen der Konsumenten.
  • Die Verwendung von Xylazin als Zusatzstoff in Drogen kann gefährlich sein, insbesondere wenn es mit anderen potenten Substanzen wie Fentanyl kombiniert wird. Das Risiko von Überdosierungen steigt, und die Kombination kann zu schweren gesundheitlichen Problemen oder sogar zum Tod führen.

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