AA

Traiskirchen: "Ärzte ohne Grenzen" wirft Ministerium Hinhaltetaktik vor

Traiskirchen: Ministerium greift Anregung von Ärzte ohne Grenzen auf
Traiskirchen: Ministerium greift Anregung von Ärzte ohne Grenzen auf
Im Erstaufnahmelager Traiskirchen sind auf Anregung von "Ärzte ohne Grenzen" ab sofort mobile Ärzteteams zur Betreuung der Flüchtlinge im Einsatz, kündigte das Innenministerium am Montag an. Vorerst stellt allerdings das Innenressort selbst Amtsärzte bereit. "Ärzte ohne Grenzen" wirft dem Ministerium "Hinhaltetaktik" vor. Vereinbart gewesen sei, dass Mediziner der NGO ab Montag Zutritt erhalten.
AI: Fast alle Menschenrechtskonventionen verletzt
BMI von AI-Bericht "nicht überrascht"
Ministerium wirft Ländern Sabotage vor
Traiskirchen: ein Lokalaugenschein

Am Freitag hatte es nach einem Gespräch eine Einigung zwischen “Ärzte ohne Grenzen” und dem Innenministerium gegeben: Die NGO kann künftig in Traiskirchen unterwegs sein, “um akute medizinische Bedürfnisse rasch erkennen und darauf reagieren zu können”. Ab Wochenbeginn entsendet erst einmal das Innenministerium selbst Ärzteteams in das überfüllte Erstaufnahmezentrum. Unter der Leitung des Chefarztes des Ressorts sollen sich Amtsärzte der Polizeidirektion Wien um die Asylwerber an Ort und Stelle kümmern.

Innenministerium schickt Amtsärzte nach Traiskirchen

Am Dienstag oder Mittwoch sollen die Amtsärzte von Medizinern der Hilfsorganisation unterstützt werden. Laut Innenministerium handelt es sich um Teams aus jeweils vier Personen. Diese bestehen nicht nur aus Medizinern. Auch soziale Betreuer, Dolmetscher und Mitarbeiter des Innenministeriums zur Beantwortung organisatorischer Fragen werden im Lager unterwegs sein. Aus dem Innenministerium hieß es, dass dies in Absprache mit der Gesundheitsbehörde, also der Bezirkshauptmannschaft Baden, geschehe. Traiskirchen sei derzeit die einzige Einrichtung für Asylwerber, in der mobile Ärzteteams im Einsatz sind.

“Ärzte ohne Grenzen” fordert “unabhängigen” Zutritt

“Ärzte ohne Grenzen” wirft dem Innenministerium “eine gewisse Hinhaltetaktik” vor. Wie der Österreich-Geschäftsführer der NGO, Mario Thaler, gegenüber der APA erklärte, sei einem Team seiner Organisation entgegen einer Vereinbarung vom Freitag für heute kein Zutritt ins Flüchtlingslager Traiskirchen gewährt worden. Er fordert eine unabhängige Kontrolle und eine rasche Entscheidung.

Thaler sprach von offensichtlichen “Auffassungsunterschieden” mit dem Innenministerium. Die vom Ressort angekündigten mobilen Ärzteteams mit Amtsärzten, die gemeinsam mit “Ärzte ohne Grenzen” in das Erstaufnahmezentrum gehen sollen, seien so nicht ausgemacht gewesen, sagte Thaler. Ein gemeinsamer Besuch mit Amtsärzten “kommt nicht Frage”, sagte der Geschäftsführer von “Ärzte ohne Grenzen”. “Wir bestehen auf einem unabhängigen Assessment.” Entweder müsse “Ärzte ohne Grenzen” selbst in das Lager gehen oder eine andere unabhängige Organisation. Die Unabhängigkeit sei auch wichtig, um eine Vertrauensbasis mit den Menschen aufbauen zu können.

Verzögerung “nicht akzeptabel”

Nach Thalers Darstellung hat das Innenministerium noch am Freitag zugesichert, dass “Ärzte ohne Grenzen” am heutigen Montag eine unabhängige Untersuchung im Erstaufnahmezentrum durchführen könne. In einem Mailverkehr am Sonntagabend habe das Innenministerium dann aber gesagt, dass der Termin am Montag nicht möglich sei, weil man dafür einen Beamten abstellen müsse. Das Ressort habe deshalb eine Verschiebung auf Dienstag oder Mittwoch vorgeschlagen.

Eine solche Verzögerung ist für “Ärzte ohne Grenzen” jedoch nicht akzeptabel. Angesichts der Wetterlage mit Regen sei schnellst mögliches Handeln nötig. Es sei dringend, Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Man sei auch am Vormittag mit dem Innenministerium in ständigem Kontakt gestanden. Ein Team von “Ärzte ohne Grenzen” mit Präsidentin Margaretha Maleh an der Spitze habe sich Montag Mittag auf den Weg nach Traiskirchen gemacht. Man hoffe trotzdem, noch heute Zutritt in das Erstaufnahmezentrum zu bekommen, sagte Thaler.

Innenministerium weist Kritik zurück

Das Innenministerium wies die Kritik am Montag zurück. Ein gemeinsamer Besuch im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen der NGO mit Amtsärzten sei nie im Gespräch gewesen, sagte Ressortsprecher Karl-Heinz Grundböck gegenüber der APA. Auch den Vorwurf der Hinhaltetaktik wies er zurück, am Montag wird “Ärzte ohne Grenzen” aber keinen Zugang zum Lager bekommen.

Grundböck verwies darauf, dass man vereinbart habe, zusätzlich zur fixen Arztstation des Lagers auch mobile Ärzteteams in Traiskirchen einzusetzen, die am Gelände unterwegs sind und Menschen aktiv ansprechen. Das sei von “Ärzte ohne Grenzen” in einem Gespräch am Freitag auch so zur Kenntnis genommen worden. Die Organisation habe dann aber falsch informiert. Es sei nie die Rede davon gewesen, dass “Ärzte ohne Grenzen” gemeinsam mit Amtsärzten die Flüchtlinge betreuen, sondern immer nur von eigenen mobilen Teams.

Das Ministerium habe “Ärzte ohne Grenzen” angeboten, schon am vergangenen Samstag das Erstaufnahmezentrum zu besuchen. Das sei aber aufgrund mangelnder Ressourcen, weil die Organisation kein operatives Zentrum in Österreich habe, abgelehnt worden. “Ärzte ohne Grenzen” würde auf Mediziner der Caritas zurückgreifen, berichtete Grundböck.

Deshalb habe des Ministerium für den heutigen Montag ein eigenes mobiles Team mit Amtsärzten organisiert, so der Sprecher. Bei “Ärzte ohne Grenzen” habe man angefragt, ob sie für Dienstag oder Mittwoch ein mobiles Team stellen könne. Am Sonntag um 22.00 Uhr habe man dann von “Ärzte ohne Grenzen” den Wunsch bekommen, doch am Montag kommen zu können.

Der Ministeriums-Sprecher betonte, dass man “Ärzte ohne Grenzen” vorher informiert habe, dass der heutige Montag von eigenen Teams abgedeckt werde, aber Bedarf für Dienstag oder Mittwoch bestehe. Warum die Organisation dennoch heute ein Team nach Traiskirchen geschickt habe – und das medial begleitet – sei für das Innenministerium “nicht nachvollziehbar”, betonte Grundböck.

Der Ressort-Sprecher stellte auch klar, dass ein Besuch des Lagers der “Ärzte ohne Grenzen”-Delegation heute nicht möglich sei. Heute seien Vertreter der Landessanitätsdirektion auf dem Gelände unterwegs, deshalb sei heute kein Bedarf gegeben. Das habe auch “Ärzte ohne Grenzen” gewusst, bevor sich deren Delegation auf den Weg gemacht habe. Das Ministerium hätte sich von der Organisation ein “koordinierteres Vorgehen” gewünscht, wie der Sprecher anmerkte. (APA)

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Traiskirchen: "Ärzte ohne Grenzen" wirft Ministerium Hinhaltetaktik vor
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen