Dabei tragen die Amerikaner im Irak trotz brütender Hitze immer noch Schutzwesten und Stahlhelme und sind stets in Gruppen unterwegs. Doch die wachsende Unzufriedenheit vieler Irakis mit der US-Besatzungsmacht und die Nervosität der Soldaten, die um ihr Leben fürchten und nach dem militärischen Sieg zum Teil wenig Lust zu ihren neuen Polizei- und Wiederaufbau-Aufgaben haben, führt allmählich zu einer Spirale der Gewalt.
Fast sieht es so aus, als würde der syrische Präsident Bashar Assad Recht behalten. „Zweifellos kann die Supermacht USA ein relativ kleines Land (wie den Irak) erobern, aber kann sie es auch kontrollieren?“, hatte er im März, wenige Tage nach Kriegsbeginn, erklärt. Assad gab die Antwort selbst: „Die USA und Großbritannien sind nicht in der Lage, den gesamten Irak zu kontrollieren. Es wird einen starken Widerstand geben.“
Die Gründe für den Widerstand, der in den vergangenen Tagen stark zugenommen hat, sind vielfältig. Die Islamisten ärgert, dass die US-Soldaten ihre Häuser nach Waffen durchsuchen und dabei angeblich unerlaubte Blicke auf die Frauen werfen. Einigen Irakis geht es schlicht gegen den Nationalstolz, sich im eigenen Land von jungen Amerikanern an der Straßenecke durchsuchen zu lassen.
Andere haben jetzt erst begriffen, dass die Amerikaner nach dem Sturz des Diktators nicht einfach wieder abziehen werden, so wie der Irakische Nationalkongresse (INC) von Ahmed Khalabi, dem lange Zeit hervorragende Beziehungen zum Pentagon nachgesagt wurden. „Vereinbart war, dass die Amerikaner als Befreiungsarmee kommen und nicht als Besatzungsmacht“, beschwerte sich der INC vor einigen Tagen.
Unter Beschuss geraten die US-Soldaten vor allem in den Provinzen Tikrit, Anbar und Mosul. Hier im sunnitischen Kernland ist der Hass auf die US-Besatzer besonders groß. In der Stadt Falluja, wo es in den vergangenen Wochen immer wieder gewaltsame Konfrontationen gegeben hatte, kommt ein weiterer Faktor hinzu. Viele Einwohner der als islamisch-konservativ bekannten Stadt lehnen die US-Soldaten ab, weil sie in ihnen die Speerspitze des verderbten Westens sehen, ohne dass sie sich selbst als Saddam-Anhänger bezeichnen würden.
Nach der Auflösung der Armee und einiger Ministerien haben die US-Armee und ihre Zivilverwaltung nun außerdem viele Ex-Offiziere und Beamte gegen sich, die arbeits- und bald auch mittellos zu Hause sitzen. Aus ihren Reihen könnte auch die nach Einschätzung westlicher Experten kleine Gruppe der Saddam-Getreuen künftig Mitstreiter für einen Guerillakrieg gegen die Besatzungsmacht rekrutieren. Denn entgegen der Darstellung des US-Zentralkommandos, das die Angriffe auf die amerikanischen Soldaten als organisierte Aktionen von Anhängern des alten Regimes darstellt, glauben viele Irakis, dass es noch keinen zentral organisierten Widerstand gibt.
In einer an diesem Donnerstag veröffentlichten Analyse der amerikanischen Hilfsorganisation Refugees International heißt es:
„Die Fähigkeit des Büros für die provisorische Verwaltung der Alliierten (OCPA) mit den Irakis und der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, wird durch die Tatsache behindert, dass sich das US-Militär im Irak technisch gesehen immer noch in der Kampfphase befindet.“
Um die Situation im Irak in den Griff zu bekommen, müssten die Amerikaner eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten und den Irakis erklären, was genau sie vorhaben, glaubt die US-Organisation. Außerdem müssten die Amerikaner mit zusätzlichen Soldaten mehr Sicherheit für irakische Zivilisten garantieren und sich stärker um die Versorgung mit Strom, sauberem Trinkwasser und anderen wesentlichen staatlichen Leistungen bemühen.