Die Infarkt-Ursache kann aber erst durch das endgültige Ergebnis der Obduktion ermittelt werden, das noch mehrere Tage in Anspruch nehmen könnte. Ein niederländischer Toxikologe hatte im Blut des verstorbenen jugoslawischen Präsidenten Spuren eines nicht verordneten Medikaments gefunden. Er habe Anfang des Jahres Spuren von Rifampicin entdeckt, das die Leberfunktion ankurble, erklärte Donald Uges am Montag. Dadurch würden andere Medikamente sehr schnell abgebaut.
Er habe die Blutprobe untersucht, nachdem Milosevic nicht auf Blutdruck senkende Mittel angesprochen habe, sagte Uges. Auf Anordnung der Richter nahm Milosevic seine Medikamente unter Aufsicht ein, aber der (Blut-)Druck hat sich noch immer nicht reduziert. Die wahrscheinlichste Erklärung dafür sei für die niederländischen Ärzte gewesen, dass der 64-Jährige ein weiteres Mittel genommen habe, das den Blutdruck senkenden Medikamenten entgegengewirkt habe. Medien hatten berichtet, dass in einer Blutprobe Milosevics vom Jänner Spuren eines Medikaments gegen Lepra und Tuberkulose entdeckt worden seien.
Das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gab unterdessen den Leichnam Milosevics frei. Die Mediziner bräuchten ihn für die noch ausstehenden Untersuchungen nicht mehr. Nach Angaben seines Rechtsbeistands wird Milosevic in Belgrad beigesetzt. Sein Sohn Marko werde die sterblichen Überreste am Montag oder Dienstag in Empfang nehmen, sagte Anwalt Zdenko Tomanovic in Den Haag weiter. Er habe die niederländische Regierung gebeten, Marko Milosevic ein Visum auszustellen. Außerdem habe er die Regierung von Serbien-Montenegro informiert, dass die Familie das Begräbnis in Belgrad abhalten wolle. Sie wünschen sich eine Beerdigung in der Allee der Großen, wo die serbischen Helden begraben sind, sagte Tomanovic.
Milosevics Sozialistische Partei forderte am Sonntagabend eine ehrenvolle Bestattung des ehemaligen Staatschefs in Belgrad oder seiner Heimatstadt Pozarevac. Auch Milosevics Witwe Mirjana (Mira) Markovic solle zu der Feier zugelassen werden, sagte Parteisprecher Branko Ruzic. Andernfalls werde die Partei ihre Haltung gegenüber der derzeitigen Minderheitsregierung überdenken. Markovic lebt im Exil in Moskau, in Serbien wird sie – wie ihr Sohn Marko – per Haftbefehl gesucht. Miras Anwalt forderte am Montag die Aufhebung des Haftbefehls. Serbiens Präsident Boris Tadic hatte am Sonntag allerdings ihre Begnadigung ausgeschlossen und gleichzeitig ein Staatsbegräbnis für Milosevic abgelehnt.
Mira Markovic selbst sprach sich für die Beisetzung ihres Mannes in Pozarevac aus. In einem Interview mit der serbischen Tageszeitung Vecernje novosti sagte sie, sie habe ihren Mann zum letzten Mal vor mehr als drei Jahren gesehen. Zum letzten Mal mit ihm gesprochen habe sie am Freitagabend, wenige Stunden vor seinem Tod. Er hat gesagt: Schlaf gut, mein Liebling. Ich werde dich wieder anrufen, sobald ich morgen aufwache. Markovic sagte weiter, das UNO-Kriegsverbrechertribunal habe ihren Mann getötet, weil es keine Gründe für eine Verurteilung hatte und ihn nicht freilassen konnte. Es handle sich um eine geplante physische Liquidierung 37 Stunden vor dem Ende des Prozesses.
Unterdessen wurde der Bruder von Slobodan Milosevic, Borislav, wegen eines Herzproblems in der Nacht auf Montag in ein Krankenhaus in Moskau eingeliefert. Es habe sich jedoch nicht um einen Herzinfarkt gehandelt, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den Bruder. Borislav Milosevic war in den 90er Jahren Botschafter Belgrads in Moskau, er lebt in Russland. Am Samstag hatte er dem UNO-Tribunal vorgeworfen, den Tod seines Bruders verursacht zu haben, weil es ihm eine medizinische Behandlung in Russland verweigert habe.
Das russische Außenministerium teilte mit, Milosevic habe in einem Brief vor seinem Tod eine ungenügende medizinische Versorgung in Den Haag kritisiert und um eine Behandlung in Moskau gebeten. Ein entsprechendes Schreiben an das russische Außenministerium hätten Vertraute Milosevics am Samstag der russischen Botschaft in den Niederlanden übergeben, sagte Ministeriumssprecher Michail Kamynin. Russische Pathologen wollten auf Wunsch von Milosevics Familie zu weiteren Untersuchungen nach Den Haag fliegen.
Der Prozess gegen den seit 2001 inhaftierten Milosevic begann im Februar 2002 und wurde wegen des schlechten Gesundheitszustands des Angeklagten mehrmals unterbrochen. Milosevic wurde 1999 als erstes amtierendes Staatsoberhaupt wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Den Haag angeklagt, später wurde die Anklage um Völkermord erweitert. Ihm wurden 66 Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo in den 90er Jahren zur Last gelegt.