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Tippi Hedren: "Hitchcock hat meine Karriere ruiniert"

US-Schauspielerin und Viennale-Stargast Tippi Hedren
US-Schauspielerin und Viennale-Stargast Tippi Hedren ©APA/HANS KLAUS TECHT
Sie ist der Star der 53. Viennale - Tippi Hedren, die einstige Hitchcock-Muse, ist Gast bei der ihr gewidmeten Gala-Vorstellung von "Marnie" im Gartenbaukino am Donnerstagabend.

Aus diesem Anlass hat sich die 85-Jährige über Hitchcocks Dämonen, darüber, wie sie eine Löwenattacke überlebt hat und warum sie “Fifty Shades of Grey” niemals ansehen wird, geäußert.

Sie gelten auch 50 Jahre später und nach einer langen Karriere als Hitchcock-Star. Ist für Sie selbst diese Zeit Ihres Lebens so bedeutend wie für die Öffentlichkeit?

Tippi Hedren: Es wäre für jeden Schauspieler ein unglaubliches Glück, zwei Filme in seiner Karriere zu haben, die so ein Erfolg waren und solch ein langes Nachleben haben (“Die Vögel”, 1963 und “Marnie”, 1964, Anm.). Und das waren auch noch meine ersten beiden!

Es nervt Sie also nicht, immer über die Vergangenheit sprechen zu müssen?

Hedren: Überhaupt nicht! Das war eine sehr spannende Zeit in meinem Leben, die mir geschenkt wurde. Schließlich wurde ich praktisch aus dem Nichts heraus von einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Filmindustrie unter Vertrag genommen. Hitchcock hat auf jeden einen besonderen Eindruck gemacht – und das gilt heute noch. Aber so schön die Zeit für mich war: “There was the Good, the Bad and the Ugly” (Es gab Gutes, Schlechtes und Furchtbares, Anm.) Es ist alles wegen seiner Annäherungsversuche zerbrochen. Ich dachte damals: Wie schade, dass er diese wunderschöne Beziehung zwischen Regisseur und Schauspielerin ruiniert. Da war er wie von Dämonen getrieben. Es war traurig und furchtbar, und es war traumatisch für mich. Aber es kann in jedem Berufsfeld passieren, dass ein Mann Obsessionen gegenüber einer Frau entwickelt. Und das ist Hitchcock passiert. Er war besessen von mir und hat sich Dinge von mir erwartet, die ich ihm nicht geben konnte und wollte. Ich habe deshalb verlangt, dass er mich aus dem Vertrag entlässt – was er nicht wollte. “Tu was du nicht lassen kannst”, habe ich ihm geantwortet und bin gegangen. “Ich ruiniere deine Karriere”, war seine Antwort. Und das hat er getan. Aber er hat nicht mein Leben zerstört.

INTERVIEW: TIPPI HEDREN

Wäre solch ein Verhalten eines Regisseurs in der heutigen Filmindustrie noch möglich?

Hedren: Das kann überall passieren. Da ist die Filmindustrie keine Ausnahme. Da hat sich nichts verändert.

Ein anderer bedeutender Film in Ihrer Karriere war “Roar” (“Die Löwen sind los”), der Ihr Engagement für Raubkatzen begründet hat. War dieser Film aus 1981 für Sie persönlich noch wichtiger als die Hitchcock-Zeit?

Hedren: Das war er, weil er so vieles verändert hat. Mir ist der schreckliche Umstand in den USA bewusst geworden, dass Tausende Raubkatzen als Haustiere gehalten werden – was ein Riesengeschäft war. Aufgrund der großen Anzahl an Raubkatzen, die wir für den Film benötigten, hatte man uns geraten, sie zu kaufen. Was das für Folgen haben sollte, war mir damals noch nicht klar. Wir wurden ein Refugium für die misshandelten Kreaturen. Dabei habe ich es abgelehnt, sie in Käfige zu sperren, sondern große Gehege geschaffen. Das Projekt wuchs, und letztlich war ich an der Verabschiedung neuer Gesetze beteiligt, welche die Haltung dieser Tiere als Haustiere verbieten. Und das freut mich sehr.

Und das, obwohl Sie selbst bei den Dreharbeiten zu “Roar” ja verletzt wurden…

Hedren: Das stimmt. Ich sollte damals für eine Szene eine Holzbrücke überqueren, während mir die Löwen und Tiger folgen. Ich bin gefallen, worauf sich alle Raubkatzen auf mich gestürzt haben. Eine hat mir dann ihre Pranke in den Rücken geschlagen. Wäre sie nur ein paar Zentimeter näher an meinem Nacken gewesen, säße ich heute nicht hier.

INTERVIEW: TIPPI HEDREN

Ihre traumatischen Erfahrungen mit Hitchcock und den Raubtieren haben Ihre Tochter Melanie Griffith und ihre Enkelin Dakota Johnson aber offensichtlich nicht davon abgehalten, selbst ins Filmgeschäft einzusteigen…

Hedren: Überhaupt nicht. Das Filmgeschäft ist nicht so Furcht einflößend wie die Arbeit mit Löwen und Tigern! (lacht)

War es einfach für Sie, Ihre Enkelin in der umstrittenen SM-Verfilmung “Fifty Shades of Grey” zu sehen, oder bricht da die Oma in Ihnen durch?

Hedren: Weder ich, noch ihre Mutter Melanie, noch ihr Vater Don Johnson haben den Film gesehen. Und das werden wir auch nicht! Das kann ich einfach nicht. Das geht uns auch nichts an. Ich liebe das Mädchen – sie ist einer der witzigsten Menschen, die ich kenne. Sie hat es einfach drauf! Und dass Dakota den Film machen konnte und dafür respektiert wird, liegt sicher daran, dass er ausgezeichnet ist. Aber das werde ich nie erfahren!

Sie selbst sind hingegen bald ein Fall fürs Museum, wie man hört?

Hedren: Das stimmt! Das Smithsonian Museum in Washington wird einige Schauspielerinnen mit einer Dauerausstellung ehren, und ich bin eine davon. Ich spende dazu die Drehbücher von “Birds” und “Marnie”. Und ich habe noch eine Figurine aus meiner Hitchcock-Zeit, die damals für die Kostüme genutzt wurde. Ob sie die akzeptieren, müssen wir aber abwarten. Die hat damals einer unserer Babylöwen, die mit uns im Haus gelebt haben, in die Mangel genommen. Sie wurde zwar repariert – aber sie sieht sehr, sagen wir, ‘interessant’ aus.

Zum Abschluss: Sie haben das Manikür-Business in den USA verändert. Wie kam das?

Hedren: Mit der Organisation “Food for the Hungry” haben wir nach dem Fall von Südvietnam ein australisches Kriegsschiff gemietet und im südchinesischen Meer Boatpeople gerettet. Wir haben damals auch ein altes Tuberkulose-Sanatorium nahe Sacramento gemietet, wo Flüchtlinge unterkommen konnten. Und die Frauen dort liebten meine auffälligen Fingernägel. Da sie die ganze Zeit darüber geredet haben, habe ich meine Nageldesignerin Dusty gebeten, ihnen etwas beizubringen. Die rund 30 vietnamesischen Frauen haben den Kurs bestanden und sich in den gesamten USA etabliert. Das Manikürgeschäft ist heute ein 10 Milliarden US-Dollar schwerer Markt – und ich bekomme keine Tantiemen! Hätte ich das mal gewusst (lacht). Aber im Ernst: Ich habe diese Frauen und ihre Stärke geliebt. Sie wollten Teil der USA werden, und ich freue mich, dass sie damit Erfolg hatten.

>> Alle Informationen zur 53. Viennale

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

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