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Tierschutzvolksbegehren: Transparenz bei Lebensmittelherkunft gefordert

Am Mittwoch wurden die Forderungen in Wien präsentiert.
Am Mittwoch wurden die Forderungen in Wien präsentiert. ©APA/HANS PUNZ
Das Tierschutzvolksbegehren hat eine österreichweite Kampagne gestartet. Mit dieser wird die verpflichtende und kontrollierte Kennzeichnung der Herkunft von Produkten tierischen Ursprungs gefordert.

Das Tierschutzvolksbegehren hat seine österreichweite Kampagne für eine verpflichtende und kontrollierte Kennzeichnung der Herkunft von Produkten tierischen Ursprungs in Gastronomie und öffentlichen Küchen gestartet. Die Menschen können über ihren Teller entscheiden, was angeboten werde, sagte Initiator Sebastian Bohrn Mena am Mittwoch vor dem Bundeskanzleramt in Wien.

Großteil der Österreicher will wissen, woher ihre Lebensmittel stammen

Jedes Jahr landen 600 Millionen Eier aus Käfighaltung und tausende Tonnen Fleisch aus ausländischer Massentierhaltung auf Österreichs Tellern, kritisierte Bohrn Mena. Die Herstellungsbedingungen dieser Produkte seien in Österreich bereits aus Tier- und Umweltschutzgründen verboten. Massenhaft billiges Kalbfleisch werde etwa aus Holland zur Herstellung des "Wiener Schnitzels" importiert, österreichische Kälber dagegen ins Ausland verkauft und über weite Strecken transportiert. Der Großteil der Österreicher wolle aber wissen, woher ihre Lebensmittel stammen und wie es um das Tierwohl bestellt ist - 84 Prozent nach einer repräsentativen Greenpeace-Umfrage. Laut einer WWF-Befragung bezeichnen sich auch alle Parteien offen gegenüber einer Kennzeichnung der Herkunft.

Bohrn Mena: Für mehr Transparenz sorgen

In der Gastronomie und öffentlichen Küchen werden zwei Drittel aller tierischen Produkte konsumiert, es fehle jedoch die notwendige Transparenz hinsichtlich Herkunft und Lebensbedingungen der Tiere, so Bohrn Mena. Eine bewusste Entscheidung sei so nicht möglich: "Wir müssen den Betrug an den Konsumenten beenden." Negative Auswirkungen habe dieser nicht nur auf Tiere und Menschen, sondern auch auf das Klima. "Wenn jemand Kaiserschmarrn mit Käfig-Ei aus Aserbaidschan essen will, dann ist das seine Entscheidung", meinte Bohrn Mena. Wer das nicht wolle und lieber zehn Cent mehr pro Portion zahlen möchte, um Tieren, der Umwelt und österreichischen Bauern zu helfen, solle auch die Möglichkeit dazu erhalten. "Wir brauchen nicht über höhere Steuern auf Nahrung diskutieren, wir brauchen nur für mehr Transparenz sorgen."

Tierschutzvolksbegehren: Die Unterstützer

Zu den Unterstützern der österreichweiten überparteilichen Initiative zählen zahlreiche Landwirte, die Vereinigung "Die BioWirtInnen" und auch Schokolade-Produzent und Bio-Landwirt Josef Zotter, der sich zum Kampagnenstart für die Verwendung technischer Möglichkeiten für mehr Transparenz aussprach. Verpflichtende QR-Codes könnten etwa sämtliche Daten über die Herkunft der Tiere, Hersteller sowie die komplette Produktionskette enthalten. Dies und auch eine öffentliche Datenbank für Konsumenten müsste von der Lebensmittelbehörde verwaltet werden, "damit jeder Konsument sich informieren und entscheiden kann, ob er ein Steak aus der Steiermark oder aus Brasilien will." Landwirte sollten zur Information für die Konsumenten auch ihre Tierhaltung öffentlich zugänglich machen.

Bio sorgt derzeit am besten für das Tierwohl

"'Bio' ist momentan die beste Methode, um für das Tierwohl zu sorgen, darum ist uns eine verpflichtende und kontrollierte Zertifizierung dieser Gastronomiebetriebe besonders wichtig", betonte Gerold Hubmer, Obmann der "BioWirtInnen". "Bei der Gastronomie gibt es eine Gesetzeslücke, die wir seit Jahren zu schließen versuchen, aber die Wirtschaftskammer wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen."

Noch vor der Nationalratswahl am 29. September sollen sich alle Parteien zu diesen Forderungen bekennen, appellierte Bohrn Mena. Im Rahmen der Kampagne sollen am 27. September die Positionen der Parteien präsentiert werden. Nach der Wahl ist ein "Runder Tisch" geplant, bei dem Parteien, Interessenvertretungen und Experten gemeinsam eine Roadmap zur Kennzeichnung erarbeiten sollen.

Herkunftskennzeichnung von Fleischprodukten für alle Parteien denkbar

Die sechs größeren wahlwerbenden Parteien stehen einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung von verarbeiteten Fleischprodukten positiv gegenüber. Das ergab eine Nachfrage der Umweltschutzorganisation WWF bei ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS, JETZT und den Grünen. Kein Konsens herrscht bei den Parteien jedoch darüber, für welche Bereiche die Kennzeichnungspflicht gelten sollte.

FPÖ, NEOS, JETZT und Grüne plädieren für eine Herkunftskennzeichnung in Handel, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. ÖVP und SPÖ haben in ihren Antworten offen gelassen, für welche Bereiche sie sich diese wünschen, wie in einer Aussendung der Umweltschutzorganisation am Mittwoch zu erfahren war. Jedoch habe die ÖVP bei ihren öffentlichen Forderungen die Gastronomie bisher außen vor gelassen, merkte der WWF an.

Kennzeichnung würde Absatz der heimischen Landwirtschaft verbessern

"Eine umfassende Kennzeichnung würde importiertes Billigfleisch zurückdrängen und der heimischen Landwirtschaft beim Absatz ihrer Produkte helfen", sagte WWF-Ernährungsexpertin Helene Glatter-Götz. Die Umweltschutzorganisation fordert daher eine rasche und ambitionierte Umsetzung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Fleischprodukte. Rückenwind dafür kommt auch vom Tierschutzvolksbegehren, das eine klare Kennzeichnung von Herkunft und Tierwohl fordert und am Mittwoch seine Kampagne "Wissen, was wir essen" gestartet hat.

AK: Reine Herkunftskennzeichnung sei zu wenig

Der Wiener Arbeiterkammer (AK) machte dagegen in einer Aussendung deutlich, dass eine reine Herkunftskennzeichnung zu wenig sei. Diese allein sage nichts über die Qualität eines Produkts, dessen Produktionsbedingungen oder Tierschutzstandards aus und unterstütze Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung nicht ausreichend. Die Wiener AK appelliert daher, ab der neuen EU-Förderperiode 2021 nur noch jene Agrarproduktion zu fördern, die einen nachweisbaren positiven Effekt auf Klimaschutz und Tierwohl garantiert. Zudem sollten auf EU-Ebene Kriterien für die Herkunftskennzeichnung entwickelt werden, die Angaben zu Tierwohlstandards und Produktionsbedingungen berücksichtigen.

Auch die Tierschutzorganisation Vier Pfoten pflichtete der AK bei, dass eine Herkunftskennzeichnung alleine nicht genüge. Die Organisation schlägt hinsichtlich Kennzeichnung ein System wie beim Schalenei vor. Dieses wäre seit Jahren erfolgreich und könne ähnlich auch für Fleisch- und Milchprodukte angewendet werden.

WWF will Meinung zu Fleisch-Rabatten wissen

Der WWF wollte von den Parteien außerdem wissen, wie sie zu Fleisch-Rabatten stehen. Mit einem Verzicht darauf könne der Druck auf die Landwirtschaft verringert und eine umwelt- und tierfreundlichere Produktion ermöglicht werden, hielt die Umweltschutzorganisation fest. Es zeigte sich, dass NEOS, JETZT und Grüne für einen Verzicht auf "marktschreierische" Fleisch-Rabatte plädieren. Die FPÖ hält diesen Schritt für schwer umsetzbar und will vor allem bei Lebendtiertransporten und der Kennzeichnung ansetzen. Die ÖVP gab keine konkrete Antwort zum Thema Fleisch-Rabatt, verwies aber auf die Schaffung "vergleichbarer europäischer Rahmenbedingungen" sowie die bessere Kennzeichnung. Die Antwort der SPÖ blieb eher vage: So wolle man Lösungen unterstützen, die faire Preise für Landwirte bringen und zugleich dazu beitragen, dass Fleisch leistbar bleibe.

ÖVP und FPÖ setzen auf mehr Bewusstseinsbildung

Für einen konkreten Aktionsplan mit verbindlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in sämtlichen Sektoren wollen sich abermals Grüne, NEOS und JETZT einsetzen. Die SPÖ betonte, dass freiwillige Schritte wohl nicht reichen werden und fordert ein Wegwerfverbot von Lebensmitteln im Handel. ÖVP und FPÖ setzen auf bessere Kennzeichnung und mehr Bewusstseinsbildung.

Viel Unterstützung für Tierschutzvolksbegehren-Kampagne

Breiten Zuspruch von Parteien und auch von der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat die am Mittwoch gestartete Kampagne "Wissen, was wir essen" des Tierschutzvolksbegehrens bekommen.

"Volle Unterstützung" sicherte der Initiative etwa SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Markus Vogl via Aussendung zu. Eine Herkunftskennzeichnung könne dabei nur ein erster Schritt sein, wichtig seien auch Informationen bezüglich Qualität und Entstehung eines Lebensmittels. Bei Gütezeichen brauche es strenge Kontrollen und einheitliche Standards. Auch FPÖ-Tierschutzsprecherin Philippa Strache befürwortet die Kampagne: Die geforderte verpflichtende Tierwohl-Kennzeichnung aller tierischen Lebensmittel sei absolut unterstützenswert.

Grüne unterstützen Initiative vollinhaltich

Die Grünen unterstützen die Initiative vollinhaltlich. Tierische Lebensmittel, besonders Fleisch, die in der Gastronomie und Hotellerie angeboten werden, müssten so rasch wie möglich verpflichtend nach ihrer Herkunft und nach den Haltungsbedingungen gekennzeichnet werden, hieß es in einer Aussendung. In der Schweiz funktioniere dies seit Jahren in der Gastronomie und sei auch gesetzlich vorgeschrieben, meinte Irmi Salzer, die burgenländische Grünen-Spitzenkandidatin bei der Nationalratswahl. Man wolle im Nationalrat dafür kämpfen, dass Transparenz auf dem Teller mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

Greenpeace: Österreicher wollen wissen, was am Teller liegt

"Die Österreicherinnen und Österreicher wollen wissen, was ihnen aufgetischt wird", pflichtete auch Greenpeace-Landwirtschaftexperte Jens Karg bei. "Doch am Teller im Restaurant, der Mensa oder der Kantine ist weder ersichtlich, woher die tierischen Komponenten des Essens stammen, noch wie die Tiere gelebt haben". Auch im Lebensmitteleinzelhandel müsse bisher lediglich die Herkunft von Frischfleisch verbindlich ausgewiesen werden. Über die Herkunft anderer tierischer Produkte würden die Konsumenten genauso im Dunkeln gelassen wie über deren Haltungsbedingungen. Konsumenten können somit keine bewusste Entscheidung für mehr Umwelt- und Tierschutz treffen. "Das kann und muss die Politik ändern", so Karg.

Auch das öffentliche Beschaffungswesen sei gefordert: Gerade in Kindergärten, Schulen, Gemeinschaftsküchen, Spitälern und Pflegeeinrichtungen gehöre gesundes und umweltfreundliches Essen auf den Tisch. Die öffentliche Hand solle hier Verantwortung übernehmen. "Wenn es tierische Produkte sein müssen, dann sollte darauf geachtet werden, dass diese den höchsten Tierschutzstandards entsprechen", betonte der Landwirtschaftsexperte. "Das gehört dann natürlich auch sichtbar gemacht und ausgelobt."

(APA/Red)

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