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Thomas Bernhard-Boom an Wiener Bühnen

Die Zeiten, zu denen es durch Ignoranz der Direktoren, Sturheit des Autors oder Respekt vor seinem letzten Willen keine Thomas-Bernhard-Aufführungen in Wien gab, sind endgültig vorbei.

Alleine in den nächsten Tagen kommen zwei der frühen Stücke des 1989 verstorbenen Autors an großen Wiener Bühnen heraus. Den Anfang macht am Sonntag „Vor dem Ruhestand“ am Volkstheater, vier Tage später folgt „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ am Theater in der Josefstadt. Zu erwarten sind interessante Vergleichsmöglichkeiten.

Der junge Filmregisseur Thomas Roth, Sohn des bekannten Autors Gerhard Roth, gibt am Volkstheater mit dem Drei-Personen-Stück „Vor dem Ruhestand“, das zuletzt in einem Remake der Peymann-Uraufführung 1999 mit Traugott Buhre, Kirsten Dene und Eleonore Zetsche in Wien zu sehen war, sein Theater-Debüt. Für Aufsehen sorgte bereits im Vorfeld das Bühnenbild, für das die abgenommene Original-Täfelung des so genannten „Führerzimmers“ des Hauses verwendet wird, die vom Bundesdenkmalamt als schutzwürdig eingestuft wird. Für Volkstheater-Direktor Schottenberg bildet „dieser Hitler-Mist“ die ideale Kulisse für das morbide jährliche Zeremoniell im Hause des Gerichtspräsidenten und ehemaligen SS-Offiziers Rudolf Höller, bei der Heinrich Himmlers Geburtstag gefeiert wird.

Wolf-Dietrich Sprenger, der mit „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ jenes Stück inszeniert, das 1972 bei den Salzburger Festspielen für den so genannten Notlichtskandal sorgte, hat bereits 2002 mit “Über allen Gipfeln ist Ruh“ in der Josefstadt bewiesen, dass er zu Thomas Bernhard einen leichtfüßigeren, ungezwungeneren Zugang hat als Peymann mit seinen klassischen Modellinszenierungen. Hier ist der Schauplatz eine Operngarderobe, in der ein Doktor der Anatomie, der mit Vorliebe über Leichensezierungen spricht, und der versoffene Vater einer Sängerin auf die „Königin der Nacht“ warten. Diese wieder wird von der Angst um den Verlust ihrer Stimme gepeinigt.

Die an Handlung armen und an Monologen reichen Stücke Bernhards waren neben unerbittlichen Geißelungen einer aus Autorensicht verkommenen Gesellschaft stets auch Schauspieler-Feste. Beide kommenden Produktionen können mit bekannten Darstellern aufwarten. Im Volkstheater spielt Heribert Sasse den Gerichtspräsidenten, Silvia Fenz und Beatrice Frey sind seine beiden Schwestern. An der Josefstadt sind Sandra Cervik (als Sängerin), Fritz Muliar (gibt als ihr Vater sein Bernhard-Debüt) und Joachim Bißmeier (1974 in der Uraufführung der „Jagdgesellschaft“ zu sehen, schon als Thomas Bernhard im Film im Einsatz gewesen und nun der Anatom) auf der Bühne.

Service:

  • Thomas Bernhard: „Vor dem Ruhestand“, Regie:
    Thomas Roth, Bühne: Florian Parbs, Kostüme: Erika Navas, Mit: Silvia Fenz – Vera, Beatrice Frey – Clara, Heribert Sasse – Rudolf Höller, Volkstheater Wien, Premiere: 16. Oktober, 19.30 Uhr, Weitere Vorstellungen: 19., 20., 22., 29.10., 19.30 Uhr, 23., 30.10, 15 Uhr, Karten: 01 / 52111-400, www.volkstheater.at.
  • Thomas Bernhard:
    „Der Ignorant und der Wahnsinnige“, Regie: Wolf-Dietrich Sprenger, Bühnenbild und Kostüme: Achim Römer, Mit: Sandra Cervik – Königin der Nacht, Fritz Muliar – Vater, Joachim Bißmeier – Doktor, Margarethe Tiesel – Frau Vargo, Alexander Strömer – Kellner Winter. Theater in der Josefstadt, Premiere: 20.10., 19.30 Uhr, Weitere Vorstellungen:
    21., 22., 26., 28.10., 19.30 Uhr, 23.10., 15 Uhr, Karten: 42700 – 300, www.josefstadt.org
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