Laut Berufsverband der Österreichischen Psychologen ist Gefangenschaft in Isolation eines der schlimmsten Szenarios, denen ein Mensch ausgesetzt sein kann. Um zu überleben, entwickeln Opfer Strategien: Das „Stockholm-Syndrom“ ist dabei nur die Spitze des Eisberg, sagte Traumapsychologin Eva Münker-Kramer zur APA.
Alles, was dem Opfer eine Erklärung für seine Situation bietet, sei als Überlebensstrategie geeignet. „Viele suchen die Schuld bei sich selbst“, sagte die Fachärztin. Vor allem missbrauchte Frauen würden häufig so reagieren. In extremen Fällen werden „Teile der Wirklichkeit weggespalten. Das ist so als würde man das Erlebte vergessen“, erklärte sie. Diese „verkapselten“ Stücke Realität (dissoziierte Erinnerungen) können nach Jahren wieder aufbrechen – etwa wenn Gerüche oder Geräusche Opfer an das Trauma erinnern. „Oder sie kommen nie wieder – dann spricht man von Erinnerungslücken“, sagte Münker-Kramer.
Beim Stockholm-Syndrom identifizieren sich Gefangene emotional mit dem Täter und können positive Gefühle für ihren Peiniger entwickeln. So versuchen sie, ein Minimum an Kontrolle aufrecht zu erhalten. „Wenn ich alles richtig mache, dann überlebe ich“, so die Überlebensstrategie laut Psychologenverband.
Um Natascha bei der Bewältigung ihres Traumas zu helfen, müssen Psychologen nun dem Verarbeitungstempo der Betroffenen folgen. „In diesem Fall ist eine gezielte Traumatherapie nötig“, sagte die Psychologin. Spezielle Ablenkungstechniken könnten der jungen Frau zudem helfen, wieder „alltagstauglich“ zu sein. Wenn Bilder ihres Martyriums wiederkehren, könne sie sich etwa mit Sätzen wie „Ich bin jetzt in Sicherheit. Ich bin nicht in dem Verlies“ in die Realität zurückholen, meinte die Expertin.