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Theater in der Josefstadt präsentierte Programm

Das Theater in der Josefstadt präsentierte ihr Programm.
Das Theater in der Josefstadt präsentierte ihr Programm. ©APA
Sechs Uraufführungen und eine deutschsprachige Erstaufführung bietet das Theater in der Josefstadt in der kommenden Saison an, die am 17. September mit den Thomas-Bernhard-Dramoletten "Der deutsche Mittagstisch" in der Regie von Claus Peymann eröffnen soll

"Unter welchen Umständen kann ich nicht sagen", meinte Direktor Herbert Föttinger bei der heutigen Spielplanpressekonferenz.

Thater in der Josefstadt stellte Programm vor

Föttinger hatte gemeinsam mit Stiftungsvorstand Günter Rhomberg und Chefdramaturg Matthias Asboth auf der Bühne Platz genommen, für "eine analoge Pressekonferenz mit Erlaubnis des Innenministeriums", für die man sich auf 60 Teilnehmer geeinigt habe. "Jede Hauptprobe ist bei uns besser besucht", ätzte Föttinger Richtung Journalisten, die zur Gewährung des Sicherheitsabstandes Platzkarten erhalten hatten. Man wolle aber "keine Situation wie im Kleinwalsertal". Ein Spielbetrieb unter den derzeit diskutierten Abstandsregeln (in der Josefstadt gibt es 85 Zentimeter Abstand zwischen den Sitzreihen) bedeutete 170 Zuschauer und damit eine Auslastung von 27/28 Prozent. "Das wäre eine künstlerische und ökonomische Katastrophe", so der Theaterleiter, der heftige Attacken gegen die Regierung ritt.

"Diese Pandemie ist eine Zumutung für die Freiheit der Kunst", so Föttinger, und: "Diese Bundesregierung ist eine Zumutung für die österreichische Kulturnation." Er kritisiert die Plan- und Empathielosigkeit der Regierung und zeigte großes Verständnis für das jüngste "Wut-Video" des Kabarettisten Lukas Resetarits: "Wir möchten endlich von der Bundesregierung Perspektiven haben."

Angespannte Stimmung

Hatte sich der Josefstadt-Direktor am 24. April nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler (Grüne) noch sehr zuversichtlich gezeigt, berichtete er nun auf Nachfrage, dass seither Funkstille herrsche und Kogler auch auf eine SMS am Wochenende vor der heutigen Pressekonferenz nicht reagiert habe. "Vielleicht war auch dieses Gespräch nur ein Lippenbekenntnis. Jetzt gibt es nur noch eine Adresse, und das ist Bundeskanzler Sebastian Kurz, daneben Finanzminister Gernot Blümel, der selbst Kulturminister war. Sie dürfen sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Wir werden sie streng in die Pflicht nehmen."

"Die Zeit des Lavierens muss vorbei sein", forderte Föttinger klare Perspektiven für künftigen Proben- und Spielbetrieb ein. "Halbgare Möglichkeiten zulasten der Freiheit der Kunst darf es nicht geben." Schließlich gelte: "Nur dort wird Kunst entstehen, wo sie frei sein kann." Jeder Eingriff in das Kunstschaffen stelle "eine Form der Zensur dar", bei der als nächstes Pressfreiheit, Meinungsfreiheit und Handlungsfreiheit in Gefahr gerieten.

Zu Beginn der Pressekonferenz las Föttinger einen Teil des Kunst- und Kulturkapitels des geltenden Regierungsprogramms vor und mahnte am Ende angesichts der Coronakrise ein tatkräftiges Bekenntnis zur Kulturnation Österreich seitens des Bundeskanzlers ein, von dem es zu Kunst und Kultur bisher nur Halbsätze gegeben habe: "Sie müssen uns einen Rettungsschirm aufspannen, der uns sicher und nachhaltig durch diese Krise bringt. Wenn Ihnen Theater, wenn Ihnen Kunst und Kultur irgendetwas wert ist, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören. Vergessen Sie Ihre Umfragewerte und handeln Sie jetzt!"

Coronakrise: Thater steht Wasser bis zum Hals

Finanziell steht dem Privattheater das Wasser angesichts des geltenden Aufführungsverbots jedenfalls bis zum Hals, machte Günter Rhomberg, Vorsitzender im Stiftungsvorstand der "Theater in der Josefstadt - Privatstiftung" deutlich: "Bei einer normalen Finanzvorschau müssten wir sagen: Wir sind pleite!" Derzeit sei man alleine gelassen: "Wir brauchen Planungsgrundlagen und Planungssicherheit."

Das Theater sei mit 400 Beschäftigten auch ein ganz normaler Wirtschaftsbetrieb, der derzeit Gefahr laufe, nicht mehr aufsperren zu können. "Bei fahrlässigen Entscheidungen könnte man sogar privat in Haftung genommen werden." Daher erwarte man sich "von der Regierungsspitze, konkret auch vom Bundeskanzler und dem Finanzminister, dass es eine Perspektive für die Kulturbetriebe gibt, und nehmen das 'Koste es, was es wolle' wörtlich." Er konstatierte einen Mangel an kompetenten Kulturpolitikern in Österreich und erinnerte an die Minister Fred Sinowatz, Hilde Hawlicek und Rudolf Scholten: "Das sind Persönlichkeiten gewesen, die als Stimme der Kultur immer in der Öffentlichkeit präsent waren." Ohne diese Präsenz, laufe man Gefahr, auch pekuniär übergangen zu werden.

200.000 Menschen arbeiten im Kultursektor

Föttinger erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass in Österreich fast 200.000 Menschen im Kultursektor arbeiteten und dieser eine Wertschöpfung von fast 6 Milliarden Euro erwirtschafte. Deswegen müsse er auch Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) in die Pflicht nehmen, der kürzlich gemeint hatte, er hoffe, dass nach Verlautbarung der für diese Tage angekündigten neuen Verordnungen "dann die Kulturschaffenden wieder zufrieden sind". "Nein, wir sind nicht zufrieden", richtete er dem Minister aus.

Es brauche "eine Kulturmilliarde oder zwei, aber das muss es der Kulturnation Österreich wohl wert sein". Die Politik sei gefordert, den Einnahmenentgang zu übernehmen oder eine klare Antwort auf eine klare Frage zu geben: "Wollen Sie, dass die Josefstadt in Konkurs geht?" Den Einnahmenentgang bis Ende der Saison bezifferte Föttinger mit 4 Mio. Euro, eine Spielzeit mit nur 170 zugelassenen Besuchern pro Vorstellung bedeutete 8 Mio. Euro Verlust. Eines müsse aber klar sein: "Wenn es bei diesem Ein-Meter-Abstand bleibt, dann ist das Abo-System der Josefstadt zerstört." 18.000 Abonnenten hat das Theater, der Verzicht auf Gegenverrechnung oder Rücküberweisung abgesagter Abo-Vorstellungen hat bisher 50.000 Euro als Spenden ergeben. "Es wird die große Frage sein: Werden die Abonnenten treu bleiben?"

Das erwartet Abonnennten

Den Abonnenten wird 2020/21 einiges geboten. Man habe fünf Produktionen in die nächsten zwei Saisonen verschieben müssen, "um jene vier Produktionen, die wir nicht aufführen konnten, retten zu können", sagte Föttinger. Chefdramaturg Matthias Asboth nannte es einen "sehr österreichischen, sehr politischen Spielplan", der sich inhaltlich am Jubiläum 75 Jahre Zweite Republik und an der herrschenden Krise der Demokratie orientiere. Mit "Rechnitz" steht erstmals ein Stück von Elfriede Jelinek auf dem Spielplan des Theaters in der Josefstadt. Man verhandle über die Rechte an einer Uraufführung, in der es um aktuelle Fragen gehen werde: "Wie verändert sich eine Gesellschaft, wenn Normen nicht mehr gelten? Wie weit ist der Humanismus tatsächlich in der Gesellschaft verankert?"

"Leben und Sterben in Wien" heißt ein Auftragsstück, das Thomas Arzt über die Zeit 1927 bis 1934 schreibt. "Er macht uns hier einen Horvath'schen Kosmos auf", skizzierte Asboth und lobte "die poetische und schonungslose Sprache" des Autors. Mit der Spaltung der Gesellschaft befasst sich auch der Schnitzler-Roman "Der Weg ins Freie", von dem "eine sehr politische Theaterfassung von Susanne Wolf", in die originale Aufzeichnungen von Schnitzler und Zeitzeugenaussagen eingeflossen sind, uraufgeführt wird. An den Kammerspielen steht nach dem Nachholen der Turrini-Uraufführung "Gemeinsam ist Alzheimer schöner" mit Daniel Glattauers "Die Liebe Geld" eine weitere Uraufführung auf dem Programm. Es geht in der Komödie um eine "kafkaeske Situation, wie man sie sich bis vor kurzem nicht vorstellen konnte": Ein Geldautomat verwehrt einem Kunden den Zugriff auf sein Konto, "die Betreuerin versichert ihm, dass es seinen Ersparnissen gut gehe, dass sie aber gerade auf 'Geschäftsreise' seien".

Dazwischen wurden Statements von Claus Peymann, Peter Turrini, Daniel Kehlmann und David Schalko (die beide neue Stücke für die übernächste Saison schreiben) verlesen, wetterte Föttinger - der einen Vertrag bis 2026 hat - gegen die grassierenden Online-Aktivitäten der Theater ("Streaming ist des Theaters unwürdig. Ich bin absolut dagegen!"), ließ sich potenzielle politische Berufsaussichten entlocken ("Kulturstaatssekretär werde ich nicht, das ist mir zu wenig. Kulturminister ginge. Bundeskanzler wäre am besten."), überraschte mit anderen Spielplan-Optionen ("Ich kann Ihnen einen Spielplan machen, bei dem die Auslastung bei 15 Prozent liegt. Ich schwöre es!") und beantwortete eine Nachfrage, ob er zwischendurch daran gedacht habe, alles hinzuwerfen, so: "Aufhören? Jetzt geht es doch erst los. Ich kämpfe wahnsinnig gern. Das macht doch Spaß!"

Bis zum Aufführungsverbot am 10. März hat die Gesamt-Besucherauslastung der laufenden Saison 89 Prozent betragen. 6,2 Mio. Euro wurden aus dem Spielbetrieb erwirtschaftet, 186.341 Karten wurden bis zur Einstellung des Spielbetriebes verkauft. Danach mussten insgesamt 250 Vorstellungen und Veranstaltungen abgesagt werden.

(APA/Red)

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