AA

The Illusionist

Große Schönheit und schmerzhafter Hintergrund: Behutsamer Animationsfilm von Sylvain Chomet nach Jacques Tatis letztem Drehbuch - Ab 18. März im Kino.
Er ist von großer Schönheit, dieser Animationsfilm, der das letzte, nie umgesetzte Drehbuch des französischen Filmemachers Jacques Tati auf die Leinwand bringt. Doch das ungewöhnliche, behutsame, bildmagische Vermächtnis Tatis, das am 18. März in den heimischen Kinos startet, wirft auch schmerzhafte Fragen auf: War das Drehbuch wirklich der Tochter Sophie Tatischeff gewidmet, wie im Vorspann in großen Lettern angegeben?

Gegenüber dem “Observer” erhoben die Enkelkinder der Österreicherin Herta Schiel Einspruch gegen die von den Produzenten verbreitete Version, “L’Illusioniste” sei eine Liebeserklärung an Sophie – stattdessen gehe es um Tatis uneheliche, nie anerkannte Tochter Helga, deren Verleugnung der große französische Schauspieler und Regisseur in dem Drehbuch aufgearbeitet habe. Herta Schiel, die mit Tati im Nazi-besetzten Paris auf der Bühne stand, soll von ihm gegen finanzielle Abgeltung weggeschickt worden sein, als sie schwanger war – die Tochter Helga habe später erfolglos versucht, mit ihrem Vater in Kontakt zu treten. Seine einzige Reaktion – so Helgas Nachkommen – war das unverfilmte Drehbuch.

Vor diesem Hintergrund nimmt sich die ohnedies melancholische Geschichte ebenso zärtlich wie tragisch aus: Ein alternder Zauberer, dem es immer schwerer fällt, mit seinen altbackenen Kaninchen-Nummern zu punkten, trifft bei einer Reise nach Schottland auf ein junges Mädchen. Aus spontaner Zuneigung schließt sie sich ihm an und es entspinnt sich eine unbeholfene, vorsichtige Vater-Tochter-Beziehung. Der ungeschickte alte Mann muss plötzlich nicht mehr nur für sich selbst sorgen, probiert sich durch aberwitzige Jobs, biegt seinen unförmig großen Körper über Nacht auf die Couch und ringt sich gegenüber dem strahlenden Mädchen das eine oder andere Lächeln und das eine oder andere Geschenk ab.

Sylvain Chomet huldigt Jacques Tati gleich in mehrfacher Weise: Er modelliert seine Hauptfigur, den Zauberer Tatischeff, nach Tatis berühmten Film-Auftritten als Monsieur Hulot – komplett mit den riesigen Händen, dem ungeschickten Staksen und dem undeutlichen Genuschel, das Hulot in seinen fast sprachfreien Filmen von sich gab. Aber auch Schnitttempo, Bildausschnitt und die zärtlich gezeichneten Motive orientieren sich an Tatis eigenem Schaffen: In den meisten Aufnahmen sehen wir die Figuren von Kopf bis Fuß, begleiten sie in einer märchenhaft langsamen Totale bei Stadtspaziergängen und Zugfahrten und schwelgen zu melancholischen Klängen im verwunschenen Panorama von Edinburgh und der abwechslungsreichen Landschaft Schottlands. Man hat unendlich viel Zeit in diesem Film: Ein wohltuend entspannendes Animations-Vollbad im Kinosaal. (APA/Maria Handler)

Kommentare
Kommentare
Grund der Meldung
  • Werbung
  • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
  • Persönliche Daten veröffentlicht
Noch 1000 Zeichen