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The Ides of March - Tage des Verrats

Zynismus regiert in George Clooneys Politdrama "The Ides of March", für Idealisten ist hier kein Platz. Schon gar nicht für Idealisten wie Stephen, den jungen Wahlkampfberater des liberalen Gouverneurs und charismatischen Präsidentschaftskandidaten Mike Morris. Hier geht's zum Trailer Alle Spielzeiten auf einen Blick

Stephen, brillant verkörpert von Ryan Gosling, ist ein heller Kopf, schnell und schlagfertig, voller Engagement und Gutgläubigkeit – doch als er einen Fehler macht, gerät das Leben des aufstrebenden Strippenziehers aus den Fugen. Plötzlich dominieren Intrigen und Affären, werden erbitterte Macht- und Positionskämpfe ausgetragen, spielen politische Inhalte keine Rolle mehr. Ab 23. Dezember sind die “Tage des Verrats”, so der deutsche Zusatztitel, im Kino.Wien. Es ist Mitte März, ein Datum, das die Römer als Iden bezeichneten und das einst schon Julius Cäsar zum Verhängnis wurde. Der Wahlkampftross hat Ohio erreicht, die entscheidenden Vorwahlen auf dem Weg ins Weiße Haus stehen an. Für Mike Morris sieht es ziemlich gut aus, er ist sympathisch, volksnah, charmant, tritt für Abtreibung und die Homo-Ehe ein. Ob er diese holzschnittartigen Werte wirklich vertritt oder sie ihm nur von seinem PR-Team zugesprochen wurden, ist schwer zu sagen, zu unnahbar und unantastbar gibt sich Clooney in der Rolle des Präsidentschaftskandidaten. Aber sein Wahlkampfleiter Paul (eindringlich: Philip Seymour Hoffman) weiß auf jeden Fall, was in der Öffentlichkeit gut ankommt – und was nicht.

Dass sich Stephen mit der Gegenseite, skrupellos gespielt von Paul Giamatti, trifft und eine Affäre mit der jungen Praktikantin Molly (Evan Rachel Wood) beginnt, hätte wohl eindeutig zu jenen Dingen gehört, die Paul nicht empfehlen würde. Wie sehr oftmals nur ein kleiner Augenblick reicht, um zwischen Erfolg und Ende zu entscheiden, lernt Stephen auf die harte Tour. Ehrlichkeit und Loyalität, von der so oft die Rede ist, haben in diesem Geschäft keine Zukunft, letztendlich geht es immer um politische Macht und die Strategien, um zu ihr zu gelangen. Politik als das Bohren harter Bretter? Denkste! Hier geht es um das Verkaufen von einem Produkt, dessen Werte nur Worte sind und dessen Tugenden nur die Schutzhülle an der Oberfläche bilden, um die Untiefen zu verdecken.

Clooney führte bei dem Film, der die Festspiele von Venedig eröffnete und bei der Viennale den Abschluss bildete, nicht nur Regie, sondern hat den Film auch mitproduziert und das Drehbuch mitgeschrieben. Dieses basiert auf dem Theaterstück “Farragut North” von Beau Willimon und beschreibt den Wandel vom Idealisten zum Zyniker, ohne dass der Idealist dabei als Figur sonderlich viel Tiefe bekommen würde. “Diese Sichtweise wäre vor drei Jahren vollkommen fehl am Platz gewesen”, begründete Clooney in einem Interview, dass der Film zunächst aufgeschoben wurde. Damals hatte Obama gerade die Wahl gewonnen – und ausnahmsweise dominierten Hoffnung und Euphorie anstatt des üblichen Zynismus.

Mittlerweile hat sich dieser wieder eingeschlichen – und es ist ein Zynismus, der sich nicht nur im Plot widerspiegelt, sondern der auch den Betrachter ergreift. Und der wohl auch in den abgeklärten Machern der Independentproduktion vorhanden ist, die die Hoffnung auf Veränderung möglicherweise selbst schon aufgegeben haben. Es wirkt, als ob uns Clooney den gesellschaftspolitischen Aktivisten nur als Teil dieses Systems vorspielt, selbst aber schon lange nicht mehr daran glaubt, dass er damit irgendetwas bewirken könnte. Möglicherweise hat er damit recht, die Abhängigkeit der Politik vom Geld legt den Schluss nahe. Und dennoch steht dieser zynische Realismus dem Schauspieler und Regisseur in letzter Konsequenz nicht gut zu Gesicht. (APA)

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