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The Forgotten Space

"Von allen vergessen Orten sind das Meer und seine historische Schrecklichkeit am meisten vergessen." Mit diesen Worten leiten der amerikanische Fotokünstler und Regisseur Allan Sekula und der Filmhistoriker Noel Burch ihre niederländisch-österreichische Dokumentation "The Forgotten Space" ein. Alle Spielzeiten auf einen Blick

Der Film, der von Wildart Film koproduziert und von dem ORF und dem Österreichischen Filminstitut mitfinanziert wurde, erhielt heuer bei den Filmfestspielen in Venedig den Spezialpreis der Jury im “Orizzonti”-Bewerb. Die Doku zeigt in eindrucksvollen Bildern den Ozean als Basis- und Ankerpunkt für die Globalisierung von Warenverkehr und Arbeit.

“Das Meer ist so lange nonexistent in den Köpfen der Menschen, bis sich eine Katastrophe ereignet”, schreibt das Regieduo über seinen Film. Dabei sei die größte, vom Meer ausgehende Katastrophe, die globale logistische Kette, “die die Welt in den Abgrund führt”. Motiviert von diesem Ausgangspunkt, das globale Transportsystem zu verstehen, gehen Sekula und Burch ausgehend vom Rotterdamer Hafen an Bord von Containerschiffen, Zügen und Trucks. Sie sprechen mit Menschen, die Teil der Globalisierung sind, und jenen, die unter ihr leiden: von Politikern, Gewerkschaftern und Historikern bis zu Truckfahrern, Seemännern und Fabriksarbeitern.

Neben einem historischen Abriss und den Grundzügen moderner Logistik fokussiert “The Forgotten Space” vor allem auf die Opfer der Globalisierung. Anrainer erzählen von Häusern, die abgerissen wurden, um der Güterzugstrecke Betuwe Platz zu weichen, die Waren von Rotterdam nach Süddeutschland transportiert. Truckfahrer in Los Angeles sprechen über die durch den Warenverkehr erzeugte Umweltverschmutzung und die Ausbeutung, die sie erfahren. Währenddessen muss ein kleines, belgisches Dorf komplett verschwinden, um dem Ausbau des Antwerpener Hafens Platz zu machen. Mittels Containern werden Märkte erobert, während die wachsende Konkurrenz Häfen zwingt, größer zu werden. Und zwischen all den komplexen Geschichten kehren wir immer wieder aufs Meer zurück: “And the ship sails on” ist zwischen den Kapiteln zu lesen.

Bereits in seinem Foto/Text-Essay “Fish Story” (1995) hatte Sekula die Seefahrt dem “symbolischen Erbe des Meeres” gegenübergestellt. Basierend auf dieser Arbeit, die weltweit in zahlreichen Ausstellungen zu sehen war, schuf Sekula gemeinsam mit Burch nun eine visuell beeindruckende und theoretisch umfassende Dokumentation. Im Orizzonti-Bewerb in Venedig vergab die Jury den Spezialpreis an das “Musterbeispiel des essayistischen, politischen Kinos”, so die Begründung der Jury. “Der Film erschafft ein visuell beeindruckendes Mosaik aus großartigen Bildern und literarischer Sprache.”

Mit einer Mischung aus Dokumentation, Interviews und Ausschnitten aus alten Filmen und TV-Aufnahmen entstand ein unglaublich komplexer Streifen, der beim erstmaligen Sehen nur schwer zu fassen ist. Eindrucksvoll sind jedoch allein die Bilder von den mächtigen Containerschiffen und der harten Arbeit in ihrem Inneren; den unüberschaubaren Mengen an Containern an Bord; und den Arbeitern, die an Deck Basketball spielen, das weite, offene Meer in ihrem Rücken.

(Apa)

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