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Tausende bei Palästina-Demo in Wien

Kämpferische Töne in Wien
Kämpferische Töne in Wien ©APA/ALEX HALADA
Zwischen drei- und dreieinhalbtausend Personen haben laut Polizeiangaben am Samstagnachmittag bei einer Demonstration in Wien im Zusammenhang mit den von ihnen als "Genozid" bezeichneten Militäroperationen Israels im Gazastreifen Maßnahmen gegen den jüdischen Staat gefordert. Palästinensische und linke Aktivisten schlugen kämpferische Töne an, und der offizielle Vertreter Palästinas in Österreich, Salah Abdel Shafi, übte heftige Kritik an westlichen Regierungen.

Vor drei Monaten habe der deutsche Bundeskanzler mit 'Israel macht für uns die Drecksarbeit' die Wahrheit gesagt, erklärte Shafi in einer Ansprache zu Beginn der Demonstration am Christian-Broda-Platz im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Israel mache den Vorposten des Westens im Nahen Osten, um Drecksarbeit zu verrichten. "Und deswegen muss man diesem Staat ein Ende setzen", sagte er. Ob er damit die Existenzberechtigung Israels anzweifelte oder als Nicht-Muttersprachler unscharf auf Deutsch formuliert hatte, blieb dabei offen.

"Juristische Verpflichtung" zu Sanktionen gegen Israel

Laut einer Resolution der UNO-Vollversammlung hätte Israel bis 18. September 2025 alle besetzten Gebiete räumen müssen, habe dies als "Schurkenstaat" aber natürlich nicht getan, sagte der Diplomat. "Weil Israel den Schurkenstaat USA im Rücken hat und feige Regierungen in Europa hat und Israel Medien hat, die nicht die Wahrheit sagen, sondern Mittäter sind", erklärte Shafi und forderte, dass mit Verweis auf eine katastrophale humanitäre Situation im Gazastreifen sowohl Regierungen und Medien, als auch mit Israel geschäftlich verbundene Firmen dafür zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Alle jene 145 Staaten, die für diese UNO-Resolution gestimmt haben, hätten eine juristische Verpflichtung, Israel zu boykottieren und zu sanktionieren. Die für die nächsten Tage angekündigte Anerkennung des palästinensischen Staats durch einige westliche Staaten begrüßte er, aber zuvor müsse der Völkermord enden, betonte er.

Wegen technischer Probleme musste der Palästina-Vertreter seine Ansprache immer wieder unterbrechen, in Pausen wurde dabei "Free Palestine" gerufen. Sporadisch wurde aber auch der Slogan "From the river to the sea" skandiert, der laut einem Erlass des österreichischen Justizministeriums von 2023 einen "Anfangsverdacht einer Gutheißung terroristischer Straftaten" darstellen kann. Zahllose Demonstranten hielten Palästina-Flaggen, auf mitgetragenen Sticktüchern standen aber auch die Namen von 777 palästinensischen und drei israelischen Kleinkindern, die seit dem Oktober 2023 in Gaza ums Leben gekommen waren. Ein überdimensionaler Schlüssel verwies bei der Demonstration zudem auf den Wunsch von Palästinensern, in jene Häuser zurückzukehren, in denen sie oder zumeist ihre Vorfahren vor Jahrzehnten vertrieben worden waren.

Amnesty International für Freilassung "aller Gefangenen"

"Während ich hier stehe, sterben Kinder, während ich hier spreche, verhungern Menschen, sterben und werden Leben unter Schutt und Asche für immer begraben. Und das seit 23 Monaten", sagte ihrerseits die Geschäftsführerin von Amnesty International-Österreich, Shoura Zehetner-Hashemi. Ohne explizit von israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas zu sprechen, betonte sie, dass ihre NGO für die Freilassung aller Gefangenen eintrete und Menschenrechte für alle fordere.

Zehetner-Hashemi erklärte, sich insbesondere an österreichische Politikerinnen und Politiker wenden zu wollen. Mord und Schweigen verjährten nicht, betonte sie, und forderte gleichzeitig auf, alle Kooperationen zu beenden, die zu israelischen Menschenrechtsverletzungen beitragen und etwa die Handelsvorteile auszusetzen, die die EU Israel einräume.

Vier Österreicher segeln Richtung Gaza

"Endlich können wir ein Wien sehen, das sich nicht mehr sträflich schämen muss - für unsere Medien, für unsere Politik und für unsere weiße Feigheit", wandte sich am Christian-Broda-Platz abschließend die linke Aktivistin Marlene Engelhorn an die Demonstrationsteilnehmer, die im Anschluss zum Parlament marschierten.

Engelhorn hatte zuletzt geplant, im Mittelmeer mit anderen Gleichgesinnten nach Gaza zu segeln. Nach einer "strategischen Entscheidung der österreichischen Delegation" sei sie nach Wien zurückgekehrt. Sie habe "Reichweite in Österreich und Deutschland", begründete die prominente Millionenerbin gegenüber der APA und bestätigte gleichzeitig, dass sich derzeit vier österreichische Staatsbürger auf in Richtung Gaza segelnden Booten befänden.

Schennach: Kreisky hätte palästinensischen Staat anerkannt

Bei der ausgedünnten Abschlusskundgebung vor dem Parlament, die um kurz nach 19 Uhr mit einer Performance der Künstlerin KDM-Königin der Nacht endete, feierten die Organisatoren ihre Demonstration als großen Erfolg: Eine Moderatorin sprach von 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, etwa sechs Mal mehr als ein Vertreter der Polizei am Nachmittag der APA mit Verweis auf Drohnenaufnahmen gesagt hatte.

Vor dem Hohen Haus trat mit der Stefan Schennach auch ein SPÖ-Politiker auf, der bis vor kurzem als Bundesrat wirkte und für Österreich weiterhin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg angehört. Am Samstagabend vertrat er offiziell die "Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen". "Bei der Regierungserklärung der neuen Regierung habe ich zum Erschrecken des Bundeskanzlers etwas ganz klar gesagt: Es ist ein Völkermord, der auch so bezeichnet werden muss", erzählte der Politiker. Es müsse alles unternommen werden, um ihn auch zu stoppen.

Applaus erntete Schennach mit der Aussage, dass es ihm als Sozialdemokrat leid tue, dass die Ära von Bruno Kreisky schon so weit zurückliege. Der langjährige SPÖ-Kanzler hätte den Staat Palästina anerkannt, sagte er in Bezug auf die für nächste Woche angekündigte Anerkennung durch mehrere westliche Staaten. Dieser Schritt sei auch deshalb wichtig, da man international an der Zweistaatenlösung festhalten müsse. Schennach kündigte seinerseits die Ernennung eines Gaza-Generalberichterstatters im Europarat an. "Die Forderungen, die wir heute erheben, sind dann in den besten Händen", erklärte er.

(APA)

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