Tabuthema sexualisierter Gewalt: Jeder zehnte Bub wird Opfer

Bei einem Fachkongress in Wien am Montag wird die Männerberatung mit der zentralen Botschaft "Hinschauen und zuhören" den Fokus auf die männlichen Opfer legen.
Häufiges Wegschauen bei männlichen Opfern sexualisierter Gewalt
Ein wesentlicher Grund für das "Wegschauen" ortete die Wiener Männerberatung in einer Aussendung vor allem in den stereotypen Geschlechterkonstruktionen und Männlichkeitsbilder. "Buben, Burschen und Männern wird seitens der Gesellschaft mehrheitlich die Rolle des Täters zugeschrieben - als Opfer bleiben sie jedoch im toten Winkel der Wahrnehmung", hieß es.
Ein Wegschauen gibt es vor allem, wenn Frauen die Täterinnen sind. Auch hier führen stereotype Vorstellungen von Täter-Opfer-Konstruktionen dazu, dass diese Übergriffe im Hintergrund bleiben bzw. den Opfern oft kein Glauben geschenkt wird. Dabei gehen Dunkelstudien davon aus, dass 25 Prozent der sexuellen Gewalt von Frauen ausgeht.
"Hinschauen und zuhören" als zentrale Botschaft bei Fach-Kongress über Tabuthema sexualisierte Gewalt in Wien
Buben und Burschen, die, sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind, versuchen durchaus über ihre Erfahrungen zu sprechen oder sich Hilfe zu holen. "Leider wird ihnen meist nicht zugehört. Andere kommen wegen 'Auffälligkeiten' ins Hilfesystem, dort wird die sexualisierte Gewalt aber nicht zum Thema", so die Männerberatung.
Für die Opfer haben die Übergriffe oft schwerste Auswirkungen. "Zu den psychischen Folgen erlittener Gewalt zählen vielfältige und teils massive Langzeitfolgen, wie etwa die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung", erklärte Hubert Steger, Klinischer Psychologe und Bereichsleiter Betroffenen Unterstützung und Prozessbegleitung der Männerberatung Wien.
Wiener Heimkinder Studie zu sexualisierter Gewalt an männlichen Heimkindern
Besser dokumentiert sind die sexuellen Übergriffe in Institutionen wie Heimen, Schulen oder Kindergärten. So zeigt etwa die Wiener Heimkinder Studie (2018) auf, dass über 60 Prozent der ehemaligen männlichen Heimkinder Opfer von Gewalt (inklusive sexuellem Missbrauch) wurden. Schätzungen aus dem Dunkelfeld liegen hier noch weit höher.
Die Fachtagung will am Montag einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zu sexualisierter Gewalt gegen Buben und Burschen sowie Beispiele zur effektiven Präventionsarbeit liefern. Die zentrale Botschaft: "Hinschauen und zuhören!". Dies bedeutet, auch der Opfer-Perspektive eine Stimme zu geben. Im Rahmen der Fachtagung werden dager auch (ehemals) Betroffene ihre persönlichen Erfahrungen teilen.
(APA/Red)