Damit haben die offenbar vor dem Abschluss stehenden UNO-Ermittlungen zur Ermordung des libanesischen Ex-Ministerpräsidenten Rafik Hariri im vergangenen Februar einen dramatischen Höhepunkt erreicht. Kanaan, seit Oktober 2004 Innenminister, war zwanzig Jahre lang syrischer Geheimdienstchef im Libanon gewesen. Die syrische Armee hatte sich im vergangenen April nach 29-jähriger Präsenz aus dem Nachbarland zurückgezogen.
Kanaan habe sich in seinem Büro in Damaskus das Leben genommen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SANA. Die Behörden hätten erste Untersuchungen zu den Hintergründen des Selbstmords eingeleitet. Aus Sicherheitskreisen verlautete, der General habe sich mit seiner Pistole erschossen und sei sofort tot gewesen. Kanaan war von dem UNO-Sonderermittler im Mordfall Hariri, dem deutschen Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis, im September befragt worden. In einem von der Beiruter Tageszeitung As-Safir veröffentlichten Interview hatte er betont, über keinerlei Informationen in der Causa zu verfügen. Wenige Stunden vor seinem Tod hatte Kanaan noch ein Gespräch mit einer libanesischen Radioanstalt geführt.
Massenproteste nach Hariris Tod
Zugleich hatte der syrische Präsident Bashar al-Assad dem UNO-Ermittler Mehlis zugesichert, dass ihm alle Militär- und Geheimdienstverantwortlichen, mit denen er zu sprechen wünsche, zur Verfügung stehen würden. Die bisherigen Erfolge bei den UNO-Ermittlungen, die zur Festnahme von vier libanesischen Generälen geführt haben, sollen laut Medienberichten auf Informationen eines Überläufers des syrischen Geheimdienstes basieren.
Verdachtsmomente
Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es bisher nicht. Das US-Nachrichtenmagazin Newsweek hat in seiner dieswöchigen Ausgabe berichtet, US-Außenministerin Condoleezza Rice habe sich im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Mehlis-Bericht für eine diplomatische Isolierung Syriens ausgesprochen. Die US-Regierung hatte Konten des syrischen Innenministers unter dem Vorwurf eingefroren, Kanaan unterstütze und fördere den Terrorismus. Die israelische Presse hatte Anfang des Monats berichtet, die USA hätten die israelische Führung wegen der Frage eines Regimewechsels in Syrien konsultiert.
“Letzte Erklärung”
Wenige Stunden vor seinem Selbstmord hatte der syrische Innenminister General Ghazi Kanaan (63) am Mittwoch gegenüber einer libanesischen Rundfunkanstalt (Die Stimme des Libanon) angekündigt, dies sei seine letzte Erklärung. Zuvor hatte er einen libanesischen TV-Bericht kommentiert, in dem es um seine Aussage vor der vom UNO-Sicherheitsrat eingesetzten und von dem deutschen Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis geleiteten Untersuchungskommission zur Aufklärung der Hintergründe der Ermordung des libanesischen Ex-Regierungschefs Rafik Hariri im Februar gegangen war. Kanaan hatte darin jede Verwicklung in den Mord an Hariri von sich gewiesen und die traditionell guten Beziehungen zwischen Syrien und dem Libanon hervorgehoben.
Zu Gerüchten, er habe seinerzeit als syrischer Geheimdienstchef im Libanon umfangreiche Schmiergelder von Hariri erhalten, sagte Kanaan: Wenn wir in den Genuss solcher Großzügigkeiten gekommen sein sollen, warum hätten wir ihn dann getötet?. Kanaans Auslandsvermögen war auf Drängen der USA eingefroren worden.
Haftbefehle erlassen
Seit dem syrischen Militärabzug sind im Libanon mehrere Terroranschläge verübt worden, die syrischen Geheimdiensten zur Last gelegt wurden, wie die Ermordung des prominenten Journalisten Samir Kassir und jene des ehemaligen KP-Chefs Georges Hawi (Haoui). Die Regierung in Damaskus hatte vor Versuchen libanesischer Kreise gewarnt, Druck auf die Mehlis-Kommission auszuüben, um deren Bericht an den Weltsicherheitsrat zu politisieren.
Ermordung Kanaans ausgeschlossen
Der syrische Informationsminister Mehdi Dahlallah hat am Mittwoch ausgeschlossen, dass Innenminister General Ghazi Kanaan, dessen Selbstmord gemeldet wurde, umgebracht worden sein könnte. Die Stabilität Syriens sei durch den Freitod des früheren langjährigen syrischen Geheimdienstchefs im Libanon nicht bedroht, fügte er vor der Presse in Damaskus hinzu. Auf die Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen dem Tod seines Kabinettskollegen und den vor dem Abschluss stehenden UNO-Ermittlungen zum Mord am libanesischen Spitzenpolitiker Rafik Hariri im Februar sehe, antwortete Dahlallah: Diese Beschuldigungen kommen von den Feinden Syriens.
In einem Kommuniqué hatte der syrische Ministerrat zuvor ohne Details den Selbstmord des 63-jährigen Kanaan in dessen Amtsgebäude bekannt gegeben. Im Mai 2000 hatte bereits der syrische Premier Mahmud Zobi Selbstmord begangen. Die libanesischen Medien sind schuld an dem psychologischen Druck, dem Kanaan in der letzten Zeit ausgesetzt war, sagte Nabil Samman, ein politischer Beobachter aus Syrien. Kanaan habe darunter gelitten, dass sich führende libanesische Politiker, mit denen er einst gute Beziehungen gepflegt habe, plötzlich gegen ihn gewandt hätten.