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Syrien: UNO braucht mehr Zeit, Countdown für Militärschlag läuft

Ban: UNO-Inspektoren brauchen Zeit um ihren Job zu machen
Ban: UNO-Inspektoren brauchen Zeit um ihren Job zu machen ©AP
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat westliche Staaten vor einem schnellen militärischen Eingreifen ohne UN-Mandat in Syrien gewarnt, die Inspektoren bräuchten für ihre Untersuchungen weitere vier Tage. Unterdessen sollen an der jordanisch-syrischen Grenze bereits US-Truppen aufmarschieren.
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Die UNO-Inspektoren, die im Land gegenwärtig Giftgasvorwürfe untersuchen, bräuchten “Zeit um ihren Job zu machen”, erklärte Ban anlässlich der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum des Friedenspalastes in Den Haag. Das Team wird nach seinen Worten “noch vier Tage” brauchen, um Beweise zu sichern, also bis Sonntag.

Dies spricht gegen einen Beginn des Angriffs vor Montag, da als einigermaßen sicher gilt, dass die Strafaktion erst anläuft, wenn die UN-Mitarbeiter Syrien verlassen haben. Dennoch berichteten US-Medien, der Angriff könne bereits an diesem Donnerstag beginnen.

Am Mittwoch waren die Chemiewaffen-Inspekteure in Samalka unterwegs, einer Rebellenhochburg im Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija. Ergebnisse gab es zunächst keine. Der Syrienbeauftragte von UN und Arabischer Liga, Lakhdar Brahimi, sprach in Genf von Anzeichen für den Einsatz chemischer Kampfstoffe. Bei den Angriffen sei eine “gewisse Substanz” verwendet worden. Details nannte er nicht.

Mobilisierung an jordanisch-syrischer Grenze

An der jordanisch-syrischen Grenze sind Bewegungen gemeinsamer Militärverbände der USA und Jordaniens zu beobachten. Dutzende Panzer und Kampfjets würden entlang der rund 370 Kilometer langen Grenze mobilisiert, sagten Augenzeugen und ein Armeesprecher am Mittwoch.

Die Truppen der USA und Jordaniens hätten sich monatelang gemeinsam auf dieses Szenario vorbereitet, erklärte ein jordanischer Kommandant. Einwohner berichteten zudem, zahlreiche Drohnen überwachten das Grenzgebiet. Der jordanische König ist ein treuer Verbündeter Washingtons und unterstützt einen möglichen Militäreinsatz gegen Syrien.

Syrien bittet um Untersuchung weiterer Vorfälle

Syrien hat unterdessen die UN-Inspektoren um die Untersuchung von drei weiteren Orten gebeten, an denen Chemiewaffen eingesetzt worden sein sollen. Die Regierung in Damaskus habe einen entsprechenden Brief an die Vereinten Nationen geschickt, sagte der syrische UN-Botschafter Bashar al-Jafa am Mittwoch in New York.

Bei den Vorfällen handle es sich um Angriffe von “bewaffneten Terrorgruppen” auf die syrische Armee, die zwischen dem 22. und 25. August stattgefunden hätten. Ein UN-Sprecher sagte, der Brief der syrischen Regierung sei am Mittwoch zunächst noch nicht eingetroffen. “Grundsätzlich ist es aber immer möglich, dass das Team auch weitere Vorfälle untersuchen kann, auch auf Bitten hin, die sie erreichen.”

Bislang keine Resolution im Sicherheitsrat

Eine mit Spannung erwartete Sitzung des UN-Sicherheitsrats ist am Mittwoch ohne Beratungen über eine von Großbritannien vorgeschlagene Syrien-Resolution zu Ende gegangen. Das Gremium beriet bei dem Treffen in New York nur über den offiziellen Tagesordnungspunkt, den UN-Einsatz in Haiti.

Großbritannien hatte zuvor angekündigt, den Entwurf für eine Resolution einzureichen, der “alle notwendige Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Chemiewaffen” in Syrien erlaubt. Das würde Luftangriffe einschließen. Die fünf Veto-Mächte des Sicherheitsrats hatten sich vor der Sitzung separat getroffen und über Syrien gesprochen.

Es gilt als wahrscheinlich, dass Russland und China gegen jedes Szenario einer Gewaltanwendung von außen ihr Veto einlegen. Beide gehören neben dem Iran zu den wenigen verbliebenen Schutzmächten der Regierung von Staatschef Baschar al-Assad. Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnte, ein Militärschlag des Westens würde Syrien und die gesamte Region langfristig destabilisieren.

Israel in Alarmbereitschaft

Aus Furcht vor syrischen Vergeltungsschlägen versetzte Israel seine Raketenabwehr in erhöhte Alarmbereitschaft und mobilisierte einen Teil seiner Reservisten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach einer Dringlichkeitssitzung seines Sicherheitskabinetts, die Armee stehe zur Verteidigung bereit.

Auch aus Angst vor einem US-Luftangriff sind immer mehr Syrer auf der Flucht: Allein die Grenze zum Libanon überquerten binnen 24 Stunden mehr als 10 000 Menschen. Die oppositionelle Nationale Syrische Koalition bat die Staaten, die Angriffe auf Syrien planen, bei der Zielauswahl nicht zu vergessen, dass in vielen Einrichtungen der Armee und des Geheimdienstes Gefangene festgehalten würden.

Russland warnt vor Angriff

Russland warnte unterdessen erneut vor einem Angriff auf militärische Einrichtungen in Syrien als Reaktion auf den vermuteten Einsatz von Chemiewaffen. Dies werde nicht nur Syrien, sondern die ganze Region destabilisieren. Gegenüber US-Außenminister John Kerry soll sein russischer Gegenpart Lawrow eine militärische Intervention in Syrien erneut kategorisch abgelehnt haben.

Dennoch scheint Russland einen Militärschlag für wahrscheinlich zu halten und setzte am Mittwoch die Evakuierung russischer Staatsbürger aus Syrien fort. Ein Flugzeug des Zivilschutzes habe Hilfsgüter in die Küstenstadt Latakia gebracht und auf dem Rückweg 27 Russen mitgenommen, sagte ein Behördensprecher. Bereits am Vortag hatte Moskau insgesamt 90 Staatsangehörige Russlands und anderer Ex-Sowjetrepubliken aus Syrien ausgeflogen.

Iran warnt den Westen

Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, warnte im iranischen Fernsehen: “Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Eine amerikanische Militärintervention in Syrien würde daher zu einer Katastrophe ohne absehbares Ende führen.” Syrien ist Irans engster Verbündeter im Kampf gegen den “Erzfeind” Israel. (APA/dpa/red)

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