Auf der besonders betroffenen Insel Nias vor Sumatra suchten Rettungskräfte in den Trümmern weiter nach Überlebenden. Nach Angaben der indonesischen Behörden wurden dort bisher 400 Leichen gefunden. Die genaue Zahl der Toten und das Ausmaß der Schäden nach dem Beben der Stärke 8,7 blieb zunächst unklar. Mit der verheerenden Flutwelle vom 26. Dezember, die etwa 300.000 Menschen den Tod gebracht hat, ist die neuerliche Katastrophe nach Ansicht von Experten aber nicht zu vergleichen.
Keine Hinweise auf österreichische Opfer
Nach dem Tsunami-Alarm nach einem Seebeben vor der Küste der indonesischen Insel Sumatras gab es Dienstag früh keine Hinweise auf österreichische Opfer. Unser Wissensstand ist der, dass keine Österreicher zu Schaden gekommen sind, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Astrid Harz, zur APA.
Noch am Abend war im Ministerium ein Krisenstab zusammengetroffen. Über die Botschaften, die die ganze Nacht besetzt waren, habe man versucht zu klären, wie die Sachlage ist, berichtete Harz. Dienstag früh folgte eine weitere Sitzung.
Um Klarheit über die Lage auf der Insel Nias, auf der bis zu 2.000 Tote befürchtet wurden, zu schaffen, habe der Botschafter in Jakarta einen Caritas-Mitarbeiter kontaktiert, der in die Region aufbrach, sagte Harz. In dem Gebiet befanden sich Hilfsprojekte, an denen die Organisation mitgearbeitet hat.
Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla äußerte die Befürchtung, dass allein auf Nias bis zu 2.000 Menschen ums Leben gekommen sein könnten. Diese Zahl sei allerdings nur eine grobe Schätzung auf Basis der Gebäudeschäden. Das Problem ist, überhaupt in das Katastrophengebiet zu gelangen, sagte der Sprecher des UN- Kinderhilfswerks UNICEF, John Budd. Auch die Lage auf anderen Sumatra vorgelagerten Inseln war zunächst unübersichtlich. Nach Informationen der Welthungerhilfe sollen auf der Nachbarinsel Simeulue mehrere hundert Menschen getötet worden sein. Eine drei Meter hohe Flutwelle soll die Insel, die bereits Ende Dezember schwere Schäden erlitten hatte, getroffen haben.
In weiten Teilen Südostasiens brach unter den Menschen nach den minutenlangen Erdstößen von Montagnacht (Ortszeit) eine Massenpanik aus. Vor allem in der indonesischen Provinz Aceh hatte die Angst vor einem Tsunami die Menschen in die Flucht getrieben. Dabei kam es zu zahlreichen Massenunfällen auf den überfüllten Straßen, sagte Birgit Zeitler von der Welthungerhilfe. Später beruhigte sich die Lage. Auch in den Küstengebieten Indiens und Sri Lankas ließ die Angst vor einer Flutwelle nach. Die Menschen kehrten in ihre Häuser zurück.
Die Hilfseinsätze auf Nias wurden durch den teilweise zerstörten Flughafen sowie beschädigte Brücken und Straßen erschwert. Nur Helikopter und kleine Flugzeuge konnten nach Augenzeugenberichten in Nias noch landen. Einige Gegenden blieben unzugänglich. Von der Westküste haben wir überhaupt keine Nachrichten, sagte Johanniter-Mitarbeiter Marc Cachon. Nach Informationen des Komitees des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) sind mehr als 80 Prozent der mehrstöckigen Gebäude auf Nias eingestürzt. Dem Präsidenten des indonesischen Roten Kreuzes, Marie Muhammad, zufolge sind etwa 10 000 Menschen obdachlos, Tausende sollen verschüttet sein.
Die rund 1.500 Kilometer nordwestlich von Jakarta gelegene Insel Nias und das benachbarte Eiland Simeulue befinden sich nahe des Epizentrums des neuen Bebens. In derselben Region hatte vor drei Monaten die Tsunami-Katastrophe nach Erdstößen der Stärke 9,0 verheerende Schäden verursacht.
Auch auf der Hauptinsel Sumatra seien durch das neue Beben Straßen und Brücken zerstört worden, sagte der Vizechef des Komitees des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) in Jakarta, Markus Dolder. Teilweise sei der Strom ausgefallen. Im Süden der Provinz Aceh habe es zudem eine kleinere Welle ins Landesinnere gegeben. Aber die war natürlich nie von der Stärke des Tsunamis Ende 2004. An manchen Stränden seien aber kleinere Läden weggeschwemmt worden. Nach ersten Informationen habe es auf Sumatra keine Todesopfer gegeben.
Ein Rot Kreuz-Team mit Medizinern und Rettungssanitätern flog unerdessen nach Nias. Auch der Malteser Hilfsdienst schickte ein Mediziner-Team und Hilfsgüter, vor allem Haushaltsgeräte wie Kochgeschirr, wie die Organisation in Köln mitteilte.
Österreichischer Experte: Heftige Nachbeben möglich
Auch wenn die jüngsten Erdbeben vor der Insel Sumatra nicht unbedingt als Nachbeben der noch schwereren Katastrophe vom 26. Dezember 2004 gesehen werden kann, stehen die beiden Erdstöße doch in unmittelbarem Zusammenhang, erklärte der Leiter des Österreichischen Erdbebendienst an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Wolfgang Lenhardt, am Dienstag gegenüber der APA. Der Forscher hält weitere Nachbeben bis zur Stärke sieben für absolut möglich.
Beim Beben vom 26. Dezember ist die Bruchfläche vom Epizentrum vor Sumatra nach Norden verlaufen. Damit sei im südlichen Teil der Bruchzone, dem so genannten Sundagraben, eine Art Defizit entstanden, so Lenhardt. Bei den aktuellen Erdstößen haben sich die Spannungen innerhalb der Erdkruste deshalb in Richtung Süden entladen.
Dass es zu keiner ähnlich verheerenden Flutwelle wie am 26. Dezember gekommen ist, sieht Lenhardt in der Art der Verschiebung begründet. Die Kanten der Bruchlinie verschoben sich beim gestrigen Ereignis mehr oder weniger parallel, während es im Dezember vor allem im Bereich des Epizentrums auch eine starke vertikale Bewegung gab, die letztendlich den Tsunami ausgelöst hat.
Lenhardt rechnet damit, dass die Erde im Katastrophengebiet Südostasiens noch über viele Monate nicht zur Ruhe kommen. Nachbeben bis zur Stärke sieben seien jederzeit möglich.