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Sudan: Laut US-Senator Völkermord

Entgegen der Einschätzung der EU hat der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Bill Frist, im Zusammenhang mit der Krise im Westsudan von „Völkermord“ gesprochen.

Auf einer Pressekonferenz in Nairobi forderte Frist die „internationale Gemeinschaft“ zur Beendigung der „entsetzlichen Tragödie“ in der Region Darfur auf. Zugleich widersprach er der Einschätzung der EU-Delegation, die bei ihrer Reise nach Darfur kurz zuvor nach eigenen Angaben keine Hinweise auf einen Genozid fand. Nach Angaben der UNO dauern die Angriffe der bewaffneten Milizen auf die Zivilbevölkerung in Darfur an.

Frist sagte, seine Gespräche mit sudanesischen Flüchtlingen im Nachbarland Tschad sowie mit offiziellen Vertretern brächten ihn zu dem Schluss, dass es sich in Darfur um „Völkermord“ handele. „Die Vergewaltigung von Frauen, die gezielte Tötung hunderter Zivilisten, das Anzünden von Dörfern“ – all dies sei ein Hinweis darauf. Auf Nachfrage, wie er Völkermord definiere, antwortete der Senator aus Tennessee, der sich lediglich im Osten des Tschads, aber nicht in Darfur aufhielt: „Die USA werden sich über unseren Oberbefehlshaber und unseren Außenminister offiziell dazu äußern, ob es Genozid ist“ oder nicht.

Der Sprecher von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, Fred Eckhard, sagte in New York, Zivilisten würden in Darfur nach wie vor angegriffen und vertrieben. Am Samstag hätten mutmaßliche Milizionäre der regierungstreuen arabischen Janjaweed-Miliz rund 35 Familien in Nord-Darfur überfallen. Auch aus dem Süden gebe es Berichte über Angriffe uniformierter Männer, die zu Pferd oder auf Kamelen unterwegs seien.

Aus dem Norden werde berichtet, dass die sudanesischen Behörden den Anführern von Flüchtlingsgruppen bis zu 100.000 Dinar (knapp 300 Euro) anböten, wenn sie Flüchtlinge von der Heimkehr zu überzeugen versuchten, sagte Eckhard weiter. Trotz des Drucks blieben die Vertriebenen in Anbetracht der Sicherheitslage aber lieber in Lagern. Mittlerweile seien Vertreter von Hilfsorganisationen zur Überprüfung der Lage in den Norden von Darfur gereist. Die jüngste Mission sei am Freitag von der Besichtigung von drei Lagern zurückgekehrt. Demnach benötigten dort rund 50.000 Flüchtlinge dringend Hilfslieferungen.

Eine Delegation der Europäischen Union hatte am Montag erklärt, von einem Völkermord könne noch nicht die Rede sein. Es sei aber eindeutig, dass „still und leise“ Massaker stattfänden und dass eine Vielzahl von Dörfern in Brand gesteckt werde, sagte der Sondergesandte des EU-Außenbeauftragten Javier Solana, Pieter Feith, im Anschluss an einen fünftägigen Besuch in der Region.

Feith schlug vor, die EU könne zur Beilegung der Krise möglicherweise mit eigenen Polizisten die sudanesische Polizei unterstützen. Zunächst sollte in jedem Fall mit den sudanesischen Behörden zusammengearbeitet werden. Zugleich betonte Feith, es gebe „gewichtige Zweifel“ am Willen der Regierung in Khartum, die Zivilbevölkerung in Darfur zu beschützen.

Der Konflikt in Darfur ist laut UNO mittlerweile die weltweit schlimmste humanitäre Krise. Seit Beginn der Kämpfe im Februar 2003 zwischen den regierungsfreundlichen Milizen und den Rebellenorganisationen Sudanesische Befreiungsbewegung (SLM) und Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM) gab es Schätzungen zufolge Zehntausende Tote. Rund 200.000 Menschen flohen aus Darfur in den Tschad, wo sie in Lagern untergebracht sind. Im Sudan selbst sind rund eine Million Menschen auf der Flucht. Hunderttausende Menschen drohen in den kommenden Monaten zu verhungern.

In Darfur sind nach Angaben der Menschenrechts- und Gefangenenhilfe-Organisation amnesty international (ai) unterdessen zahlreiche Menschen festgenommen worden, weil sie mit Ausländern über die Situation in der Region gesprochen haben. Die Menschenrechtsorganisation forderte die Regierung in Khartum am Dienstag auf, die Festgenommen unverzüglich freizulassen. „Die sudanesische Regierung soll versichern, dass keiner der Festgenommenen während der Haft gefoltert oder anderweitig schlecht behandelt wird und dass die sudanesische Bevölkerung frei und ohne Angst vor Vergeltung über Darfur sprechen kann“, hieß es.

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