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Sudan: Erschütternde Berichte an Annan

UN-Generalsekretär Kofi Annan sind Terror und Leid bei seinem Besuch in der Krisenregion Darfur eindringlich vor Augen geführt worden.

Erst kamen die Flugzeuge. Nach den Luftangriffen folgten die Reitermilizen, die brandschatzten, vergewaltigten, töteten. Immer und immer wieder berichten Flüchtlinge im Westsudan nahezu gleichlautend von solchen Angriffen auf ihre Dörfer.

„Erst flogen die Flugzeuge über uns hinweg und bombardierten uns“, berichtete die 20-Jährige Zahara im Flüchtlingslager Zam Zam dem Generalsekretär von einem Angriff der Regierungstruppen. „Dann kamen die Janjawid.“ Die Janjawid sind arabische Milizen, die nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen von der Regierung in Khartum unterstützt werden. Leidtragende der Gewalt sind vor allem die nichtarabischen Einwohner. Menschenrechtler erhoben Vorwürfe einer Kampagne der Vertreibung und der ethnischen Säuberung.

„Sie begannen zu schießen und Feuer zu legen“, sagte Zahara über den Angriff der Milizionäre. „Sie nahmen all unseren Besitz weg. Sie packten Männer und schlitzten ihre Kehlen mit Schwertern auf.“ Die Frauen seien vergewaltigt worden. Zehntausende Menschen sind der Gewalt in Darfur bereits zum Opfer gefallen. Mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht, teilweise flohen sie über die Grenze ins Nachbarland Tschad.

Die sudanesische Regierung hat die Vorwürfe, sie unterstütze die Janjawid, zurückgewiesen. „Die Regierung hat die Janjawid nicht benutzt oder sie gebeten einzugreifen“, sagte der Verwaltungschef von Darfur, Osman Keber, am Donnerstag zu Annan. „Wir streiten nicht ab, dass sie viele Gräueltaten begingen, aber das geschah nach ihrem eigenen Plan.“ Zudem seien auch die Rebellengruppen in Darfur für blutige Angriffe verantwortlich, betonte Keber. Anfang des vergangenen Jahres erhoben sich die Sudanesische Befreiungsbewegung (SLM/A) und die Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung (JEM) gegen die Regierung – aus Protest gegen eine Vernachlässigung der Region. Seitdem eskalierte die Gewalt.

„Wir alle haben die Verantwortung, schnell zu handeln“, betonte Annan bei Gesprächen in Khartum. Auch US-Außenminister Colin Powell drängte bei seinem Besuch im Sudan in dieser Woche die Regierung zur Tat. In deutlichen Worten kritisierte er die Lage in Darfur: Die Situation grenze an Völkermord, sagte er und forderte eine schnelle Entwaffnung der Milizen sowie Verhandlungen über ein Ende des Konflikts.

Am 8. April wurde ein Waffenstillstand für Darfur unterzeichnet, doch beide Seiten werfen sich einen Bruch der Vereinbarung vor. Die sudanesische Regierung bekräftigte nun im Gespräch mit Annan ihre Zusagen zur Sicherung der Krisenregion, unter anderem wurde eine Verstärkung der Polizeitruppe zugesichert. Annan ermutigte sie mit den Worten: „Ich bin froh, dass die Regierung ihre Verantwortung für den Schutz (der Bevölkerung) wahrnimmt“.

Für die Flüchtlinge in Darfur bedeuten diese Zusagen der Regierung jedoch keinen Trost: „Wir trauen ihnen nicht“, sagt Sakina Mohammed Idris im Lager Zam Zam, „jenen, die uns mit Flugzeugen angriffen“. Während die Behörden von einer zunehmenden Stabilisierung der Lage berichten, beklagen Hilfsorganisationen anhaltende Angriffe – und eine katastrophale Versorgungslage.

Rund zwei Millionen Menschen in Darfur sind dringend auf Nahrungsmittel angewiesen. Mit Beginn der Regenzeit wird sich die Situation noch dramatisch verschärfen: Wenn sich die Voraussetzungen für die Menschen nicht besserten, seien allein im kommenden Monat 10.000 Todesfälle zu erwarten, erklärte David Nabarro von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Donnerstag in Genf nach einer erschütternden Bestandsaufnahme in Darfur.

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