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Submarine

Sein Tod hinterlässt die südwalisische Stadt Swansea im Schockzustand. "Von Mädchen wurde er geliebt, von Buben respektiert und bewundert", heißt es in den TV-Nachrichten über den dahingeschiedenen Schüler Oliver Tate. Ein Kerzenmeer gedenkt des 15-Jährigen vor den Schulmauern, Mädchen weinen vor der Kamera. Alle Spielzeiten auf einen Blick


Gestorben ist Oliver jedoch nur in seiner Vorstellung: Da strotzt der in der Realität sozial unangepasste Außenseiter nämlich nur so vor Selbstbewusstsein und kommentiert sein Leben als filmreifes Drama. Ab Freitag (10. Februar) verschwimmen abstruse Selbstwahrnehmung und bittersüße Wirklichkeit nicht nur in Olivers Kopf, sondern in Form von Richard Ayoades Spielfilmdebüt “Submarine” auch in unseren Kinos.Oliver Tate (Craig Roberts) würde gerne einen Film über sich selbst sehen. Welche Rolle er darin – oder im Leben generell – spielt, weiß er noch nicht so recht. An seiner Schule erfüllt jeder irgendein Klischeebild, nur er nach eigener Auffassung nicht. Eine Zeit lang hat er französische Musik gehört, auch eine “Hut-Phase” hat er hinter sich. Zumindest die Handlung seines Films kennt er schon: Wagemutig will er die scheinbar kriselnde Ehe seiner Eltern retten und nebenbei vor seinem 16. Geburtstag auch noch seine Jungfräulichkeit verlieren. In der schroffen, mürrischen Mitschülerin und Pyromanin Jordana (Yasmin Paige) ist schnell die passende Angebetete gefunden und eine in Super-8-Bildern aufgenommene Love Story im herbstlichen Wales der 80er Jahre beginnt.

Doch mit der Krankheit von Jordanas Mutter und der sich anbahnenden Affäre von Olivers Mutter Jill (Sally Hawkins) mit einem Lebensmotivations-Guru kommt die Realität dazwischen – und Oliver ist emotional schlichtweg überfordert. Ebenso wie sein Vater Lloyd (Noah Taylor), ein in sich gekehrter Meeresbiologe, der weniger filmreif als sein Sohn Trübsal bläst. “Ich wünschte, das Leben wäre wie eine amerikanische Seifenoper – wenn es zu dramatisch wird, kann man abblenden und später wieder einsteigen”, sinniert der 15-Jährige theatralisch aus dem Off, ehe er sich seinen realen Problemen stellen muss.

Knapp eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis “Submarine” es nach seiner Premiere beim Toronto Film Festival regulär in die österreichischen Kinos geschafft hat. In seiner Heimat wird der britische Stand-Up-Comedian, Schauspieler (“The IT Crowd”) und Musikvideoregisseur Richard Ayoade dabei schon längst als neue Hoffnung des britischen Kinos gefeiert – so erfrischend und stilvoll siedelt er sein Debüt zwischen rührender Coming-of-age-Story und mit skurrilen Dialogen angereichertem Nerd-Fest an. Mit Oliver bringt er einen überheblichen, größenwahnsinnigen Anti-Helden mit Pilzkopf-Frisur und Dufflecoat auf die Leinwand, den man trotz oder gerade wegen seiner Fehler lieben lernt – peinliches Schmunzeln inklusive, wenn er die Regelmäßigkeit des elterlichen Beischlafs anhand des Schlafzimmerlichts überprüft oder sich wegen gebrochenen Herzens vom Unterricht entschuldigen lässt.

Rührung will dabei jedoch nicht aufkommen – auch wenn Oliver mehrere Minuten lang herzzerreißend in seinem ersten Liebeskummer zergeht. Zu überzeichnet präsentiert er uns sein Leben, als dass wahre Emotionen Platz haben. Das macht “Submarine” aber nicht weniger sehens- oder liebenswert. Basierend auf dem autobiografischen Debütroman des Walisen Joe Dunthorne (“Ich, Oliver Tate”, 2008) und unterlegt mit einem zauberhaften Indie-Soundtrack von Arctic-Monkeys-Frontmann Alex Turner entführt “Submarine” in eine typisch britische, schräge Teenie-Parallelwelt voller Ironie und schwarzem Humor. Wenn man dem Film etwas vorwerfen kann, dann seine geradezu perfektionierte Schläue und sein überbordendes Selbstbewusstsein – doch das ist anders als bei Oliver durchaus gerechtfertigt.

(APA)
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