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Studie zu Gewalt gegen Frauen: 319 Frauenmorde in elf Jahren

Erste Studiendaten zu Frauenmorden aus den Jahren 2010 bis 2020 vorgestellt.
Erste Studiendaten zu Frauenmorden aus den Jahren 2010 bis 2020 vorgestellt. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Am Dienstag wurde im Zuge des 2. gewaltschutz-Gipfels eine Studie präsentiert, die 777 Fälle untersucht hat. Es handelte sich um 319 Frauenmorde und 458 versuchte Morde.

Für eine Studie im Auftrag des Innenministeriums zu Tötungsdelikten an und Gewalt gegen Frauen hat die Gewaltforscherin Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung im Zeitraum Anfang 2010 bis Ende 2020 insgesamt 777 Fälle untersucht.

33,2 Prozent der Gewalttaten gegen Frauen in Wien

In der Millionenstadt Wien wurden die meisten solcher Taten begangen (33,2 Prozent), danach folgten Niederösterreich (19,6 Prozent) und die Steiermark (zwölf Prozent), geht aus den anlässlich des 2. Gewaltschutz-Gipfels vorgelegten ersten Daten hervor. Eine qualitative Analyse soll im nächsten halben Jahr erfolgen und weitere Erkenntnisse bringen, sagte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) am Dienstag im Bundeskriminalamt.

Untersuchung von Gewalt gegen Frauen

Von allen Tatverdächtigen waren lediglich 9,5 Prozent weiblich. 44,1 Prozent der Verdächtigen waren zwischen 18 und 39 Jahre alt, 36 Prozent zwischen 40 und 59, gut 16 Prozent über 60 Jahre und 3,7 Prozent jünger als 18. 67,7 Prozent hatten die österreichische Staatsbürgerschaft, 18,5 Prozent waren Staatsbürger von Drittstaaten und 11,8 Prozent von EU-Ländern. Als staatenlos wurde ein Prozent registriert, bei einem knappen weiteren Prozent konnte die Nationalität nicht geklärt werden.

Von den Opfern waren 39,1 Prozent zwischen 18 und 39 Jahre alt, 32,4 Prozent zwischen 40 und 59 sowie 21 Prozent über 60 Jahre, 7,5 Prozent waren jünger als 18. 71,4 Prozent hatten die österreichische Staatsbürgerschaft, 14,9 Prozent jene eines EU-Landes, 12,5 Prozent eines Drittstaates, 0,1 Prozent war staatenlos, bei einem Prozent blieb die Staatszugehörigkeit ungeklärt.

Bei 80 Prozent kannten Täter und Oper sich

Zu den Beziehungsverhältnissen von Tätern und Opfern kommt die Forscherin zum Schluss, dass mehr als 80 Prozent einander kannten: 45,8 Prozent der Täter und Opfer standen demnach in familiärer Beziehung in Hausgemeinschaft, weitere 15,6 Prozent in familiärer Beziehung, ohne gemeinsam zu leben, 22,9 Prozent in einem Bekanntschaftsverhältnis. Nur 12,9 Prozent von Tätern und Opfern standen in keiner Beziehung zueinander, bei lediglich 2,3 Prozent handelte es sich um eine Zufallsbekanntschaft, bei einem halben Prozent blieb dieser Punkt ungeklärt.

"Fast immer Naheverhältnis zu den Opfern"

"Fast immer bestand ein Naheverhältnis zu den Opfern", sagte Raab. Die Täter seien "zum großen Teil sehr jung", und die Statistik weise zudem "fast acht Prozent minderjährige Opfer" aus. "Hinter jeder Zahl steht ein Schicksal", betonte die Ministerin - jenes der ermordeten Frau, aber auch ihrer Angehörigen.

2. Gewaltschutz-Gipfel

Das wegen Corona großteils online durchgeführte Event mit mehr als 250 angemeldeten Teilnehmerinnen vernetze alle Akteure, von Polizei über Expertinnen bis Forschung, und Vernetzung sei "im Gewaltschutz der entscheidende Faktor", betonte Raab. Täter müssten "mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft" werden, gleichzeitig müsse die Prävention noch besser werden. "Es gibt keine Maßnahme, die zu 100 Prozent wirkt, aber wir sind nicht machtlos", appellierte die Ministerin an die "Zivilcourage". Weil Gewalt so oft "in den eigenen vier Wände" stattfinde, will sie Betroffene mit Informationen zu Hilfsangeboten "erreichen und ermutigen". Die Basis für Selbstbestimmung und somit für Gewaltprävention sei finanzielle Unabhängigkeit, das Problem müsse daher gesamtgesellschaftlich angegangen werden. Sie verwies einmal mehr auf das 24,6 Millionen Euro schwere Gewaltschutzpaket, die Mittel, zum Beispiel fünf Millionen zusätzlich für die Gewaltschutzzentren oder plus drei Millionen für die Familienberatung, seien bei den Organisationen "im Ankommen".

Kooperation mit Behörden erhöht dei Sicherheit der Betroffenen

"Die Kooperation aller beteiligten Behörden erhöht die Sicherheit der Betroffenen", sagte Marina Sorgo, Vorsitzende des Dachverbandes der Gewaltschutzzentren, anlässlich der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags mit Raab und Nehammer. Die Zentren, die jährlich rund 20.000 Opfer betreuen, erhalten nunmehr 50 Prozent mehr finanzielle Mittel und es sei kontraproduktiv, wenn sich Frauen nicht zu melden trauten, weil sie den Eindruck hätten, "dass wir ständig überlastet sind", betonte sie. Die mit September neu eingeführte Täterarbeit bedeute für viele Frauen eine Erleichterung, weil sich der Gefährder, meist der Partner, dort mit seiner Gewaltbereitschaft auseinandersetzen müsse.

Die Polizei sei immer noch zu wenig involviert, wenn Frauen und ihren Kindern Gewalt angedroht oder angetan wird, unterstrich Nehammer die Wichtigkeit des Polizeinotrufs 133 und betonte: "Die Polizistinnen und Polizisten sind für diese schwierigen Einsätze gerüstet." Aber nur bei einem Tötungsdelikt in diesem Jahr sei im Vorfeld ein Betretungs- bzw. Annäherungsverbot im Vorfeld verhängt worden. Insgesamt seien heuer bisher rund 12.100 Betretungs- bzw. Annäherungsverbote ausgesprochen worden, etwa 1.400 mehr als im selben Zeitraum 2020.

Die Daten aus der neuen Studie seien nur ein erster Schritt, wurde betont. Es folgt voraussichtlich bis zum Frühjahr eine qualitative Untersuchung der Fälle, zudem wurde Innenministerium eine weitere Studie zum Dunkelfeld bei Gewalt in der Privatsphäre in Auftrag gegeben. Sie könnte noch vor den Weihnachtsfeiertagen präsentiert werden.

(APA/Red)

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