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Studie zeigt: Mehr Belastung bei Kinder- und Jugendbetreuung

Die Anforderungen an die Fachkräfte in der Kinder- und Jugendbetreuung werden immer höher.
Die Anforderungen an die Fachkräfte in der Kinder- und Jugendbetreuung werden immer höher. ©APA (Sujet)
Die Komplexität der Arbeit von Fachkräften in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen hat sich in 20 Jahren verdoppelt, dementsprechend auch die Belastung der Betreuer.

Die Komplexität der Arbeit von Fachkräften in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen hat sich in 20 Jahren verdoppelt, dem entsprechend auch die Belastung der Betreuer. Dies hat eine Studie von Experten der Wirtschaftsuniversität Wien ergeben. Entscheidend dafür sind die externen Rahmenbedingungen in Familie, Gesellschaft und Sozialsystem, hieß es Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Kaum Zeit für direkte Betreuung und Behandlung Betroffener

"Die externen Rahmendingungen haben am stärksten hinsichtlich der Belastungs- bzw. Betreuungskomplexität zugenommen. Wesentlichster Faktor war mit deutlichem Abstand die mangelnde Zeit für die direkte Betreuung bzw. Behandlung der Kinder und Jugendlichen", fasste Studien-Co-Autorin Julia Wögerbauer (Kompetenzzentrum für Nonprofit-Organisationen und Social Entrepreneurship). Weitere Faktoren, welche zur zunehmenden Belastungssituation der Fachkräfte sorgten: Fehlende Betreuungsangebote und der Suchaufwand dafür bei Kindern und Jugendlichen mit entsprechendem Bedarf, zunehmende Anforderungen in der Bürokratie, Dokumentation und erforderliche Vernetzungstätigkeit.

Für die Untersuchung erhielten 503 langjährige in der Kinder- und Jugendarbeit tätige Mitarbeiter von Caritas Wien, Diakonie, SOS-Kinderdorf, VKKJ-Wien, Vorarlberger Kinderdorf, Caritas Oberösterreich und Lebenshilfe Salzburg quantitative Fragebögen. Die Angaben von 147 Teilnehmern konnten in die Studie aufgenommen werden. Aus den Angaben wurde ein Quasi-Belastungsindex errechnet.

Gesellschaftliche Veränderungen machen Betreuung schwieriger

"Die Arbeit für Fachkräfte in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren schwieriger geworden. Was sich zeigt, sind die gesellschaftlichen Veränderungen insgesamt, Vernetzung, mehr Druck in der Arbeitswelt, rechtliche Aspekte und Haftungsfragen. Benachteiligte Kinder und Jugendliche sowie Gruppen sind besonders davon betroffen", sagte Co-Autor Christian Schober.

Die einhellige Feststellung der Experten: Die Kinder und Jugendlichen sind selbst - wie in Öffentlichkeit und Medien manchmal oberflächlich behauptet - nicht die Hauptfaktoren der Entwicklung. Digitalisierung und technische Entwicklung von Behandlungsmethoden, überforderte (Patchwork-)Familien und in den Anforderungen von Beruf und Gesellschaft versagende Erziehungskompetenz der Eltern sind die Ursachen für die Probleme.

"Das einzige Kapital, das wir haben, ist die Zeit für die Kinder. Jedes Kind, das 'verloren' wird, kostet die Gesellschaft bis zu zwei Millionen Euro", sagte Christoph Hackspiel, Geschäftsführer von Vorarlberger Kinderdorf.

"Es fehlen rund 100.000 Therapieplätze"

Im Endeffekt geht es um ein Kapazitätsproblem. Die erhöhten externen Anforderungen an die Fachkräfte in der Kinder- und Jugendbetreuung fressen nämlich offenbar die direkt für die Betroffenen zur Verfügung stehende Zeit scheinbar auf. Während öffentliche Institutionen eine Sparkurs führten, müssten die in dem Bereich tätigen Organisationen oft die Mehrbelastungen auffangen.

"16 Prozent der österreichischen Kinder sind von psychischen Erkrankungen betroffen, 15 Prozent haben Entwicklungsstörungen, 18 Prozent sind chronisch krank", sagte der Kinder- und Jugendpsychiater Klaus Vavrik (VKKJ-Wien). Österreich als drittreichstes Land der EU seit bei der Rate der Kinder und Jugendlichen mit Sucht- und Gewalterfahrungen "ganz oben", bei den Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Betreuungsbedarf sei man aber schlecht aufgestellt. "Wir sind keine Insel der Seligen", sagte der Experte. Die Statistik Austria dokumentiere jedes Jahr mehr von Armut gefährdete Kinder und Jugendliche in Österreich, zuletzt mehr als 400.000. "Es fehlen rund 100.000 Therapieplätze für Kinder", hätte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger in einer Studie festgestellt.

Deutlich mehr Kapazitäten benötige man auch in der Betreuung von Eltern und Familien insgesamt. "Wir erleben sehr orientierungslose Eltern. Sie schaffen es oft nicht mehr, den Kindern grundlegende Kompetenzen mitzugeben. Die Arbeit mit den Eltern erfordert sehr viel Zeit. Sie sind oft sprachlos, egal ob mit deutscher Muttersprache oder nicht. Die Betreuung mit den Eltern muss kurz getaktet und kontinuierlich sein", sagte Dunja Gharwal, Kinder- und Jugendanwältin. Schließlich sollten laut den Experten die Hilfe- und Betreuungsangebote in Österreich nicht mit 18 Jahren enden, sondern auf das junge Erwachsenenalter ausgedehnt werden. Gerade in diesem Alter entscheide sich oft, in welche Stellung in der Gesellschaft ein junger Mensch hineinkomme.

(APA/Red)

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