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Studie: Lehrer fühlen sich überfordert

Achtzig Prozent der Lehrer fühlen sich für private Anliegen ihrer Schüler zuständig. Allerdings trauen sich deutlich weniger von ihnen zu, Schülern kompetent bei privaten Problemen zu helfen.

57 Prozent geben an, dabei “unbedingt” Unterstützung zu benötigen, weitere 23 Prozent “überwiegend”. Das ist das Ergebnis einer österreichweiten Online-Umfrage der Fachhochschule FH-Campus Wien unter 940 Lehrern aller Schultypen über den Bedarf an Schulsozialarbeit.

Genau diese Vernetzung von Schulen mit Institutionen aus dem Bereich Gewaltprävention wie Sozialarbeit ist auch Thema des morgen, Freitag, stattfindenden Anti-Gewalt-Gipfels des Unterrichtsministeriums. “Die Lehrer können soziale Probleme nicht alleine lösen”, so Ministerin Claudia Schmied (S) im Vorfeld der Tagung. “Sie brauchen Partner wie Sozialarbeiter, Psychologen und die Polizei, die sie bei dieser Herausforderung unterstützen.”

Erziehung gehört laut der aktuellen Studie für 96 Prozent der Lehrer zum Schulalltag, die Arbeit an den sozialen Kompetenzen der Schüler für 94 Prozent. Danach nennen die Lehrer bereits die Auseinandersetzung mit Verhaltensauffälligkeiten (89 Prozent), gefolgt von Scheidung der Eltern (75 Prozent), Gewalttätigkeit (67 Prozent) und Mobbing (60 Prozent). Mehr als die Hälfte der Lehrer gibt außerdem an, mit kulturellen Unterschieden, psychischen Erkrankungen und Verwahrlosung von Schülern konfrontiert zu sein. Lehrer von Hauptschule, Kooperativer Mittelschule (KMS), Polytechnischer- und Sonderschule haben laut der Studie besonders oft mit Problemen wie Gewalttätigkeit, Mobbing, Verwahrlosung oder finanziellen Problemen der Kinder zu kämpfen.

An zwei Wiener KMS wurde in Tiefeninterviews zusätzlich die Situation an Schulen mit hohem Migrantenanteil (83 bzw. 93 Prozent, vor allem Türken, Serben, Bosnier, Kroaten, Albaner) beleuchtet. Dort erlebten die Lehrer zusätzlich zu den überall vorhandenen Problemen die geringen Deutschkenntnisse der Eltern als “sehr belastend”. Laut Studie fühlen sie sich gezwungen, die Eltern in Erziehungsfragen zu beraten, was aber teils durch mangelnde Motivation und “Respektlosigkeit” der Eltern sowie Zeitmangel der Lehrer erschwert werde.

Vor allem junge Lehrer geben an, sich von den Privatproblemen ihrer Schüler überfordert zu fühlen. Bei offenen Fragen kritisierten die Befragten, dass sie auf solche Aufgaben nicht ausreichend vorbereitet worden seien. Nur 27 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Ausbildung für einen professionellen Umgang mit privaten Problemen der Schüler nützlich sei. 84 Prozent sehen die Zusammenarbeit mit anderen Professionen wie Psychologen oder Sozialarbeitern als Voraussetzung, je 75 Prozent die Zusammenarbeit mit den Kollegen und Fortbildungen.

Die Kernfrage der Studie, ob Sozialarbeit an den Schulen gewünscht wird, bejaht das Gros der Befragten. 62 Prozent der Lehrer können sich Unterstützung durch Sozialarbeiter “sehr gut” vorstellen, 23 Prozent “gut” und zehn Prozent “eher gut”. Dabei halten nur 20 Prozent dieser Befürworter von Schulsozialarbeit eine Betreuung im Bedarfsfall für ausreichend, die Mehrheit wünscht sich zumindest regelmäßigen Kontakt. Schulsozialarbeiter sollten vor allem bei Beratungsgesprächen mit Eltern und Schülern (je 93 Prozent Zustimmung) eingesetzt werden, 88,8 Prozent wünschen sich Unterstützung für Lehrer, 76 Prozent Einsatz in der Präventionsarbeit und je knapp 70 Prozent bei sozialen Probleme und Zusammenarbeit mit anderen sozialen Institutionen.

Zu ihrer eigenen Situation befragt, nannten Lehrer als größte Probleme ihrer Berufsgruppe Krankheiten (von zwei Drittel der Befragten genannt), Mobbing (59 Prozent) und Suchtkrankheiten (45 Prozent). Auch “Burn out” und starke Belastung durch Stress und Überforderung werden häufig genannt. “Es liegt nahe, dass viele der anderen auftretenden Probleme in engem Zusammenhang zu dieser Überforderung, der die LehrerInnen ausgesetzt sind, stehen”, heißt es in der Studie. Schulsozialarbeit könne dazu eingesetzt werden, Schüler, Lehrer und Eltern zu entlasten. Diese sei aber, so das Resümee der Studie, in Österreich derzeit “kaum bis gar nicht vorhanden”.

Im neuen Regierungsprogramm wird die Förderung von Pilotprojekten der Schulsozialarbeit an Bundesschulen angekündigt, dort soll auch der schulpsychologische Dienst ausgebaut werden – allerdings beides mit Finanzierungsvorbehalt.

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