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Streit um Rechtschreibreform spitzt sich zu

Der Streit um die Rechtschreibreform in Deutschland spitzt sich zu. In Wien soll noch im August eine Krisensitzung abgehalten werden.

Nach der Ankündigung von Axel Springer AG (“Bild”), Spiegel-Verlag und Süddeutschem Verlag, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, ist die Reform erneut ins Kreuzfeuer der Kritiker geraten. Angeführt werden diese von einigen CDU-Landespolitikern wie dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff – für eine Rücknahme der Reform plädieren aber nur höchstens vier der 16 deutschen Länder. Und auch die CDU ist in dieser Frage gespalten. Trotzdem ist die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) nach Angaben ihres Schweizer Pendants „sichtlich nervös“ und hat noch für den August zu einer Krisensitzung nach Wien geladen.

Von den 16 deutschen Bundesländern haben sich bisher nur Niedersachsen und das Saarland explizit sowie Bayern und Baden-Württemberg vorsichtig für eine Änderung der Rechtschreibreform ausgesprochen. Sämtliche SPD-regierten Bundesländer sowie einige CDU-Länder wie etwa Hamburg, Sachsen, Thüringen und Hessen wollen die neue Rechtschreibung hingegen beibehalten. Klar für eine Rücknahme der Reform hat sich die FDP ausgesprochen. Unterdessen haben am Wochenende mehrere deutsche Politiker zu Kompromissen aufgerufen. Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) erwartet bald klärende Vorschläge eines Expertengremiums. Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) meinte, längere Übergangsfristen und einzelne Korrekturen könnten die Debatte entschärfen. „Focus“-Chefredakteur Helmut Markwort wiederum erklärte, die Tatsache, dass keiner der Verlage einen genauen Termin für die Rückkehr zu den alten Schreibweisen genannt habe, sehe er als eine mögliche Verhandlungsbasis, dass man sich mit den Kultusministern noch auf eine einheitliche Regelung einigen könne.

Nach dem Schritt von Springer, Süddeutschem Verlag und Spiegel-Verlag verändert sich das orthografische Gesamtbild der deutschen Zeitungen spürbar: Statt bisher nur etwa jede 40. Zeitung wird dann mehr als jede vierte Zeitung wieder in den alten Regeln erscheinen. Bei den Zeitschriften wird sich die Änderung nicht ganz so deutlich auswirken. Hier erscheinen künftig gut zehn Prozent der Blätter in alter Rechtschreibung. Schweizer und österreichische Medien bleiben hingegen nach bisherigen Angaben durchgehend bei der Reform.

Zu Genugtuung hat die Ankündigung von Springer und Spiegel im Vatikan geführt. Der Chefredakteur der deutschsprachigen Wochenausgabe der offiziösen Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“, Ernst Schlögel, erklärte im Gespräch mit „Kathpress“, sein Blatt habe stets an der alten Rechtschreibung festgehalten und damit einer Vorgabe der deutschsprachigen Abteilung des Staatssekretariats des Heiligen Stuhls entsprochen.

Eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von RTL ergab eine deutliche Mehrheit für die alte Rechtschreibung. 75 Prozent der allerdings nur 506 Befragten sprachen sich für die alten Schreibweisen aus, bei älteren Menschen war die Zustimmung sogar noch höher. Lehrer- und Kulturverbände warnten hingegen vor einem Chaos an den Schulen und neuen Millionenkosten, wenn die Reform nun wieder rückgängig gemacht würde.

Für Schulen und Ämter in Österreich, Deutschland und in der Schweiz ist die Rechtschreibreform seit 1. August 1998 verbindlich. Als Zeitrahmen für die Umstellung wurden international sieben Jahre vereinbart – bis dahin gelten die bisherigen Schreibweisen als überholt, werden in den Schulen aber nicht als Fehler gewertet. Medien, Verlage, Autoren, Firmen und Private können dagegen freiwillig entscheiden, ob sie die neue Schreibung wählen oder bei der alten bleiben.

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