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Streit um künftige Führungsspitze der EU

Die kleinen Staaten lehnen einen hauptamtlich berufenen Präsidenten ab. Dafür gibt es eine weitgehende Einigung auf gemeinsames EU-Außenministeramt.

Die bald auf 25 Mitglieder erweiterte Europäische Union bleibt bei der notwendigen Reform ihre Führungsspitze zerstritten. Beim Sondergipfel der EU am Mittwoch in Athen lehnten vor allem die kleineren Länder den Vorschlag ab, künftig einen hauptamtlichen Präsidenten des Rates der Staats- und Regierungschefs zu berufen. Sie sehen darin eine Schwächung der EU-Kommission, die vor allem für einen Ausgleich zwischen Groß und Klein in der Gemeinschaft sorgen soll. Auch als Folge des Streits um den Irak-Krieg, der die EU tief gespalten hatte, gab es dagegen weit gehende Übereinstimmung zur die Schaffung eines EU-Außenministeramtes. Der EU-Außenminister soll sowohl im Rat der EU-Staaten als auch in der Kommission integriert sein.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagte vor Journalisten, bei der Aussprache mit EU-Konventspräsident Valery Giscard d’Estaing habe in dieser Frage „Einstimmigkeit“ geherrscht. Ein europäischer Außenminister könnte die „Visibilität und Kohärenz (der EU, Anm.) deutlich verbessern“. Der künftige EU-Außenvertreter, der in Personalunion die Ämter des bisherigen EU-Außenbeauftragten und des EU-Außenkommissars wahrnehmen soll, werde sowohl für die EU-Mitgliedsstaaten als auch für die EU-Kommission sprechen können. Diese Konstruktion sei „absolutes Neuland“, so Schüssel.

Der Präsident des EU-Verfassungskonvents, der frühere französische Staatspräsident Valery Giscard d’Estaing, will ungeachtet der noch offenen Fragen Ende des Monats seinen Vorschlag für die neue EU-Verfassung vorlegen. Die Ergebnisse der Konvent- Beratungen, an der Delegierte von allen alten und neuen EU-Staaten teilnehmen, sollen dann dem Gipfel in Thessaloniki am 20. Juni präsentiert werden. Die griechische Präsidentschaft betonte das Festhalten am EU-Fahrplan. Nach dieser Entscheidung wird Giscard am 20. Juni auf dem EU-Gipfel in Saloniki die Resultate des Konvents vorlegen. Simitis erklärte: „In den nächsten Wochen werden wir die unterschiedlichen Meinungen auf einen gemeinsamen bringen.“ EU-Kommissionspräsident Romano Prodi zeigte sich optimistisch und sagte, trotz des Zeitdrucks und der differenzierten Positionen sei man mit dem Konvention schon weit vorangekommen.

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer rechnet weiterhin mit einer breiten Übereinstimmung in allen noch strittigen Verfassungsfragen. „Die noch unterschiedlichen Positionen sind alle überbrückbar“. Er warb darum, jetzt auch die strittigen Entscheidungen zu treffen und die derzeitige „politische Dynamik“ zu nutzen. Auch in der Frage der „Doppelspitze“ mit einem EU-Ratspräsidenten neben dem Kommissionschef sieht Fischer noch Kompromissmöglichkeiten. Fischer versuchte auch die Kritik an dem für Ende April geplanten „Mini-Gipfel“ von Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg über eine Verteidigungsunion zu entschärfen. Dieses Treffen bewege sich im Rahmen der EU-Verfassungsdebatte. „Wenn damit die europäische Säule in der NATO gestärkt wird, so ist das auch Ziel unserer Politik.“

Die kleineren Länder der bisherigen und der erweiterten EU hatten sich in Athen zunächst separat getroffen und ihre Positionen abgestimmt, die dann der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker in der großen Runde vortrug: „Wir sind gegen einen EU-Präsidenten außerhalb des Rates. (…) Das Gleichgewicht der Institutionen muss erhalten bleiben.“ Chirac und Blair sprachen sich dagegen deutlich für einen neuen EU-Präsidenten aus. Giscard zeigte in dieser Frage keine Kompromissbereitschaft. „Was von Giscard als Konsens gesehen wird, ist noch kein Konsens“, sagte Juncker. Giscard selbst sprach von „mittleren Wegen“, die sich bei dem Streit um einen EU-Präsidenten und bei der künftigen Zusammensetzung der Kommission abzeichneten.

Dem Vernehmen nach könnte einer der Kompromisse sein, dass der Rat der Staats- und Regierungschefs nur noch auf wesentliche Grundsatzfragen beschränkt wird und weiterhin im Vorsitz alle sechs Monate rotiert. Dagegen würden die Räte der Fachressorts mehr Aufgaben bekommen. Die „Doppelspitze“ für die Führung der künftigen EU war Teil des deutsch-französischen Kompromissvorschlags für den Konvent. Im Gegenzug hatte Frankreich der Wahl des Kommissionschefs durch das EU- Parlament zugestimmt. Zur Position der „Kleinen“ in der EU sagte Schüssel, es gehe ihnen „nicht um das Beharren auf dem status quo (…). Wir glauben vielmehr, dass die rotierende Präsidentschaft absolut sinnvoll ist und erhalten werden muss“.

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