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Stillstand auf dem Münchner Flughafen

Egal ob Hamburg oder Prag, Zürich oder Manchester als Ziel - rund 250 Flüge mussten am Dienstagmorgen am Münchner Flughafen gestrichen werden.

Auf der Anzeigetafeln bestimmte ein einziges Wort:
annulliert. Die Gewerkschaft ver.di hatte zu einem Warnstreik an Deutschlands zweitgrößtem Airport aufgerufen. Rund 500 Mitarbeiter von Bodenverkehrsdienst, Verwaltung und Flughafenfeuerwehr folgten dem Aufruf und legten den Airport für mehrere Stunden komplett lahm. „Es war nichts mehr möglich“, sagte ein Flughafensprecher.

Von der alltäglichen Flughafen-Hektik war an diesem Morgen keine Spur. Tausende Passagiere zogen sich in die überfüllten Cafes zurück, lasen in aller Ruhe Zeitung oder spielten Karten. Andere schliefen auf Bänken und am Boden, um die Wartezeit zu überbrücken. „Wir sind froh, dass unser Flug überhaupt geht“, sagte der geduldig wartende Familienvater Edgar Hauder mit seiner zehn Monate alten Tochter im Arm. „Eigentlich habe ich ja auch Verständnis für den Streik – aber mit einem Baby ist es wirklich schwierig.“

Doch es gab auch andere Töne. Ein wütender Geschäftsmann beschimpfte eine Gruppe Streikender, die unter einer Anzeigetafel ein Protestplakat anbrachte. „Ich habe dafür einfach kein Verständnis“, klagte Karsten Konrat. „Wir leben im Zeitalter der Flexibilisierung, wie kann man sich selbst einen Knüppel zwischen die Beine schmeißen?“ Die Streikenden schien das aber nicht zu bekümmern. „Du kannst es dir ja leisten, dann wandere doch aus nach Amerika“, antwortete einer dem aufgebrachten Geschäftsmann.

13 Maschinen waren am frühen Morgen noch in den nächtlichen Himmel gestartet. Um 6.30 Uhr in der Früh hatten dann der Bodenverkehrsdienst und die Verwaltung die Arbeit niedergelegt, um 7.45 Uhr folgte ihnen die Flughafenfeuerwehr. Jetzt war endgültig Schluss. Denn ohne eine eingriffsbereite Feuerwehr dürfen keine Maschinen starten oder landen. Nur für ein paar Flieger aus Amerika gab es eine Sondervereinbarung. Die Maschinen konnten zwar landen, doch die Passagiere bekamen den Streik auch zu spüren: Ihr Gepäck wurde nicht mehr ausgeladen.

Draußen auf dem Rollfeld ruhten die Flugzeuge im Regen, drinnen kamen die Streikenden langsam in Fahrt. Die Mitarbeiter versammelten sich zu einem Pfeifkonzert im Terminalbereich. Ein völlig frustrierter Amerikaner konnte nur noch mit dem Kopf schütteln. „I hate Europeans“, sagte er einem Radioreporter ins Mikrofon. Mehr wollte er nicht sagen. „Es tut uns leid, dass es die Reisenden trifft“, sagte später eine ver.di-Sprecherin. „Aber das lässt sich bei Streiks im öffentlichen Dienst wohl nicht vermeiden.“

Nach der Protest-Kundgebung löste sich die Streikveranstaltung langsam auf. Eine kleine Gruppe junger Flughafen-Mitarbeiter zog durch die Terminalhallen und pfiff in ihre Trillerpfeifen. Vor einer Anzeigetafel mit lauter gestrichenen Flügen machten die Streikenden halt. „Nix geht mehr“, schrie einer begeistert. Und dann klatschten die anderen Applaus.

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