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Stichwort: Jerusalemer Tempelberg

Der Tempelberg in der Altstadt von Jerusalem gehört zu den heiligsten Stätten von Judentum und Islam. In einer jüdischen Überlieferung heißt es: Als Gott die Welt erschuf, schien das Licht zuerst über den Tempelberg. Salomon, der Sohn König Davids, ließ im Jahr 960 vor Christus einen Tempel auf dem Berg errichten. Nach der Zerstörung durch die Babylonier entstand ein zweiter Tempel.

Die Römer unter Titus legten ihn (im Jahr 70 n.Chr.) in Schutt und Asche. Übrig blieb die westliche Stützmauer aus der Zeit von König Herodes (73 bis 4 vorchristlicher Zeitrechnung) – die “Klagemauer”, wichtigstes Heiligtum der Juden. Religiöse Fanatiker wollen den Tempel wieder aufbauen.

Für die Muslime ist der Tempelberg das drittwichtigste Heiligtum. Das 23.000 Quadratmeter große Areal wird von den Muslimen “Al-Haram al-Sharif” genannt, “Heiligtum des Propheten”. Nach islamischer Überlieferung stieg dort 632 n.Chr. der Prophet Mohammed auf seinem Pferd “Burak” (Blitz) gen Himmel auf. Dort steht der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel, den der Kalif Omar im 7. Jahrhundert nach Christus erbauen ließ. In einem Reliquienschrein sollen sich Barthaare des Propheten befinden.

Am südlichen Rand des Platzes steht die Al-Aksa-Moschee. Hier hatte ein islamischer Fanatiker 1951 den ersten jordanischen König Abdullah ermordet, den Urgroßvater des heutigen Königs Abdullah II. Hier betete 1977 Ägyptens Präsident Anwar al-Sadat, bevor er seine Friedensgespräche mit Israels Premier Menachem Begin begann.

Als die Israelis im Sechs-Tage-Krieg 1967 den zu Jordanien gehörenden Ostteil Jerusalems eroberten und später ohne völkerrechtliche Wirksamkeit annektierten, überließen sie den Muslimen die Verwaltung ihrer heiligen Stätten. Offiziell wird der Tempelberg von der islamischen Waqf-Behörde verwaltet, die Gehälter begleicht Jordanien. 1994 hatte Amman die Waqf-Verwaltung an die Palästinenser abgetreten, unbeschadet der Schirmherrschaft der haschemitischen Könige über die Al-Aksa-Moschee.

Streng gläubigen Juden verbietet ihr Glaube das Betreten des Tempelbergs. Extremistische jüdische Splittergruppen sind der Ansicht, die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom müssten zerstört werden, um Platz zu schaffen für den Bau des dritten jüdischen Tempels.

1990 erschossen israelische Soldaten auf dem Platz vor der Al-Aksa-Moschee 21 Palästinenser. Als im September 1996 unterhalb des Tempelberges ein Tunnel geöffnet werden sollte, sahen die Palästinenser dies als Angriff auf ihr Heiligtum. Bei tagelangen Unruhen im Westjordanland und im Gazastreifen kamen damals mehr als 80 Menschen ums Leben.

Schwere Konflikte verursachte im September 2000 der Tempelberg-Besuch des damaligen oppositionellen Likud-Politikers und späteren israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon, der seit Jahren im Koma liegt. Die palästinensischen Proteste, die durch den als Provokation empfundenen Besuch ausgelöst wurden, werden als “Al-Aksa-Intifada” oder “Zweite Intifada” bezeichnet. (Die erste Intifada gegen die israelische Besatzungsmacht hatte am 8. Dezember 1987 im Gazastreifen und Westjordanland begonnen, nachdem vier palästinensische Arbeiter durch einen israelischen Lkw getötet wurden. Bei ihrer Beerdigung kam es zu blutigen Zusammenstößen.)

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