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Steuerreförmchen statt "größte Entlastung der Geschichte"

Steuerreförmchen statt Steuerreform.
Steuerreförmchen statt Steuerreform. ©APA
Die angekündigte Steuerreform ist wohl doch nicht die "größte Entlastung der Geschichte", wie Bundeskanzler Sebastian Kurz ankündigte. Am BIP gemessen sind die Einsparungen wohl niedriger als bei den letzten Reformen.

Die von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angepriesene "größte Entlastung der Geschichte" ist gemessen an der Wirtschaftsleistung keineswegs die größte. Wie Berechnungen von zwei Thinktanks, dem Momentum Institut und Agenda Austria, zeigen, war das Volumen früherer Steuerreformen in Relation zur Wirtschaftskraft durchaus größer. Beide Institute kommen zum Schluss, dass es sich bei der aktuellen Steuerreform jedenfalls nicht um die größte Entlastung aller Zeiten handelt.

0,7 Prozent des BIP eingespart

Laut Agenda Austria beträgt bei der aktuellen Steuerreform die durchschnittliche jährliche Entlastung relativ zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP) 0,7 Prozent. Bei der Steuerreform 2015/16 waren es 0,5 Prozent, 2009/2010 1,4 Prozent, 2004/05 0,9 Prozent und im Jahr 2000 waren es 0,8 Prozent. Betrachtet hat Agenda Austria die durchschnittliche Entlastung in den ersten vier Jahren.

"Laut Bundesregierung soll der Klimabonus aufkommensneutral zur CO2-Bepreisung ausfallen. Die Bürger sollen also in Summe mit der CO2-Bepreisung genauso stark belastet werden wie mit dem Klimabonus entlastet. Entsprechend reduziert sich die Entlastungswirkung der Regierung dann von 18 Milliarden Euro auf nur noch 13 Milliarden 2022 bis 2025. Jährlich sind das durchschnittlich 3,3 Milliarden Euro bzw. 0,7 Prozent gemessen am BIP. Damit ist die Steuerreform zwar groß und auch größer als jene von 2015/16, welche nur eine Entlastung von 0,5 Prozent relativ zur Wirtschaftsleistung brachte. Aber sie ist nicht die größte Entlastung aller Zeiten", erklärte Agenda Austria zu ihrer Berechnung.

Nicht größer als die letzten Steuerreformen

Das Momentum Institut hat das Volumen der aktuellen Steuerreform mit jener aus 2015/16 verglichen und kommt einschließlich des Klimabonus auf eine Entlastung von rund 1,3 Prozent des BIP 2022. Die vorangegangene Steuerreform brachte demnach ebenfalls eine Entlastung von 1,3 Prozent des BIP 2016. "In relativen Zahlen scheint die Steuerreform somit nicht größer als die letzte große Steuerreform unter der rot-schwarzen Regierung", erklärte Momentum-Ökonom Alexander W. Huber gegenüber der APA.

Kalte Progression frisst Steuer-Einsparung auf

Tendenziell dürfte die aktuelle Steuerreform kleiner sein als die letzte, so Huber. "Grund dafür ist, dass im Vergleich zu anderen Steuerreformen die Effekte der türkis-grünen Steuerreform über viele Jahre verteilt sind. Der Eingangssteuersatz der Lohn- und Einkommenssteuer wurde beispielsweise schon 2020 gesenkt, während die Körperschaftsteuer erst 2024 um die vollen 2 Prozentpunkte gesenkt wird. Im Jahr 2024 wird jedoch das gesamte Volumen der Senkung des Eingangssteuersatzes schon wieder von der kalten Progression 'aufgefressen' sein."

Das Momentum Institut ging deshalb in seiner Berechnung fiktiv davon aus, dass alle Effekte im gleichen Jahr eintreten und hat diese Summe durch das prognostizierte BIP von 2022 dividiert. Das führt dazu, dass das Volumen in der Berechnung höher ausfällt als es tatsächlich der Fall ist.

Von der Lohnsteuersenkung und Erhöhung des Familienbonus profitieren vor allem Besserverdiener und Steuerzahler mit Kindern. Die kalte Progression, die in den vergangenen Jahren wirksam geworden ist, wird durch die Steuersenkung nicht zur Gänze abgegolten.

Kinderlose benachteiligt

Die neueste Steuerreform könne die kalte Progression seit der letzten Steuerreform (2016) nicht wettmachen - jedenfalls nicht für Kinderlose. Sie werden bis 2024 durch die kalte Progression stärker belastet, als sie durch die Steuerreform entlastet werden, rechnet Agenda Austria vor. Wer 3.500 Euro brutto im Monat verdient und keine Kinder hat, wird im Zeitraum zwischen 2016 bis 2024 trotz Senkung der Tarifstufen netto um mehr als 1.000 Euro belastet. Bereinigt um die kalte Progression zeigt sich, dass vor allem Lohnsteuerzahler mit Kindern von der Steuersenkung profitieren. Möglich wird das durch den Familienbonus, der die bis 2024 aufgestaute kalte Progression mehr als kompensiert, wie Berechnungen der Agenda Austria zeigen.

Die geplante Reform sieht eine stufenweise Senkung der Lohnsteuer vor: Die 2. Einkommensstufe wird von 35 auf 30 Prozent ab Juli 2022 gesenkt, die 3. Einkommensteuerstufe von 42 auf 40 Prozent ab Juli 2023. Der Familienbonus wird von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ab 1. Juli 2022 angehoben.

Staat verdient durch kalte Progression dazu

Im Zeitraum bis 2028 betrachtet ergeben sich laut Momentum Institut für den Staat Mehreinnahmen in Höhe von 7,8 Mrd. Euro, während durch die Senkung der Körperschaftssteuer im gleichen Zeitraum 5,3 Mrd. Euro an Steuereinnahmen verloren gehen. "Die Senkung der Steuerstufen bei der Lohn- und Einkommenssteuer ist also eine temporäre Maßnahme, während Unternehmen durch die KÖSt-Senkung dauerhaft entlastet werden", kritisiert das Institut und rechnet zudem vor, dass von der Senkung der Steuersätze der zweiten und dritten Tarifstufe vor allem die obere Mittelschicht profitieren. Mit einem Einkommen von 2.100 Euro bekommt man 137 Euro pro Jahr mehr. Ab 6.000 Euro sind es dagegen jährlich 1.230 Euro mehr.

Das spiegle sich auch in der Verteilungsanalyse wider: Während im ersten Einkommensfünftel (niedrigste Einkommen) niemand von der geplanten Tarifsenkung profitiert, haben fast alle Menschen im obersten Einkommensfünftel nach der Reform mehr Geld zur Verfügung. Im zweiten Einkommensfünftel sind es 8,6 Prozent, die profitieren, im dritten 78,4 Prozent.

Die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge, mit der kleine Einkommen entlastet werde, sei grundsätzlich eine effektive Maßnahme, gerade für kleine und mittlere Einkommen, so das Momentum Institut. Ein Ausgleich der Mindereinnahmen für die Sozialversicherung sei aber unbedingt nötig.

(APA/Red)

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