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Steuern: Abschaffung der "kalten Progression" durch den Ministerrat

Regierungsspitze sieht historische Maßnahme
Regierungsspitze sieht historische Maßnahme ©APA / Canva Regierungsspitze sieht historische Maßnahme ©APA / Canva
Die Einschränkung der "kalten Progression" ist nun mehr oder weniger fix.
Das war's für die Kalte Progression
Das bleibt in der Geldbörse

Denn der Ministerrat hat die entsprechende Vorlage am Mittwoch abgesegnet. Nun bedarf es nur mehr eines parlamentarischen Beschlusses, damit die Österreicher steuerlich doch erheblich entlastet werden: "Es bleibt mehr vom Lohn", konstatierte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

"Historischer Schritt"

Der Regierungschef sprach im Pressefoyer nach dem Ministerrat von einer nachhaltigen Entlastung und einem "historischen Schritt". Schon kommendes Jahr würden sich die Österreicher 1,8 Milliarden ersparen. 2024 seien es dann bereits 4,3 Milliarden. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) betonte, dass man angesichts einer wohl länger hohen Inflation nicht alles mit Einmalzahlungen ausgleichen könne. Daher habe es strukturelle Maßnahmen gebraucht.

Die "kalte Progression" ist eine schleichende Steuererhöhung. Durch Einkommenszuwächse rutschen die Lohnsteuerzahler in Steuerklassen, in denen prozentuell höhere Abgaben zu leisten sind. Damit konnte es vorkommen, dass man trotz eines nominell höheren Einkommens real sogar weniger am Konto hatte.

Steuergrenzen werden angehoben

Nunmehr werden die Steuergrenzen jährlich um zwei Drittel der jeweiligen Teuerung angehoben, für 2023 um 3,47 Prozent. Die beiden niedrigsten Tarifstufen werden sogar um 6,5 Prozent angehoben. Gleich bleibt die Grenze beim Spitzensteuersatz. Mit dem letzten Drittel muss die Regierung jeweils bis 15. September des Jahres beschließen, was mit dieser Summe gemacht wird. Heuer wird diese z.B. für die höhere Entlastung der niedrigeren Steuerstufen verwendet. Grundsätzlich gibt es hier aber keine Bindung für die Regierung, was mit dem Geld zu tun ist.

Beispiele

Im folgenden einige Beispiele, wie sich die Abschaffung der Kalten Progression im Jahr 2023 auf das Netto-Einkommen auswirkt.

Beispiele: Angestellter mit 2.000 Euro-Brutto-Gehalt

Beispiel: Angestellte mit 3.000 Euro-Brutto-Lohn

Beispiel: Angestellter mit 2.500 Euro-Brutto-Lohn und einem minderjährigen Kind (inkl. Familienbonus+ und Alleinverdienerabsetzbetrag)

Beispiel: Arbeiter mit 2.700 Euro-Brutto-Lohn und zwei minderjährigen Kindern (inkl. Familienbonus+, ohne Alleinverdienerabsetzbetrag)

Angestellter mit 3.100 Euro-Brutto-Lohn und zwei minderjährigen Kindern (inkl. Familienbonus+ und Alleinverdienerabsetzbetrag)

Beispiel: Angestellter mit 6.000-Euro-Brutto-Lohn und drei minderjährigen Kinder (inkl. Familienbonus+, ohne Alleinverdienerabsetzbetrag)

Beispiel: Pensionistin mit 1.500 Euro-Brutto-Pension

Beispiel: Pensionist mit 1.800 Euro Brutto-Pension

(Quelle: https://finanzrechner.at/kalte-progression)

Dass man die Abschaffung der "kalten Progression" nicht in die Verfassung schreibt, begründete Nehammer damit, dass dies wegen der dafür notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit längere Verhandlungen gebraucht hätte. Man habe aber schon 2023 starten wollen. Ohnehin würden sich künftige Regierungen schwer tun, die "schleichende Steuererhöhung" wieder einzuführen.

Auch Sozialleistungen werden angepasst

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte, dass die Maßnahme tatsächlich für alle wirke und nicht nur für mittlere und höhere Einkommen: "Es hilft jenen, die es besonders brauchen", verwies der Grünen-Chef auch auf die ebenfalls vereinbarte automatische Valorisierung von Sozialleistungen wie Familien- oder Studienbeihilfe, Kinder- und Reha-Geld.

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer sah hier eine jahrzehntelange Forderung erfüllt: "Jahr für Jahr gibt es mehr Geld im Geldbörsel ohne Diskussion." 1,3 Millionen Menschen in Österreich würden profitieren.

11.693 Euro steuerfrei

Brunner verwies darauf, dass durch die Abschaffung der "kalten Progression" auch die Steuerpflicht später einsetze, also nicht mehr bei 11.000 Euro, sondern erst bei 11.693 Euro. Eine Durchschnittspensionistin wiederum würde sich schon kommendes Jahr 371 Euro ersparen, bis 2026 würde sich das auf 3,771 Euro erhöhen. Bei einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mit Medianeinkommen seien es 2023 391 Euro, bis 2026 gesamt 4.107 Euro. So sei die Abschaffung auch "ein Akt der Fairness gegenüber dem Steuerzahlen". Denn damit sei der Staat nicht mehr der Profiteur der hohen Teuerung.

Reaktionen von AK, ÖGB und WKÖ

"Die Maßnahmen sind positiv, aber unvollständig", befanden Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in einer Aussendung. Sie vermissen etwa eine Inflationsanpassung des Kilometergeldes und eine außerordentliche Anhebung von Arbeitslosengeld, Ausgleichszulage und Sozialhilfe.

Erfreut zeigte sich Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf: Bürgern, aber auch einkommensteuerpflichtigen Unternehmern werde spürbar längerfristig mehr netto in der Tasche bleiben, das sorge für mehr Planbarkeit und stütze die Kaufkraft. Dieser Effekt sei auch bei den KV-Verhandlungen zu berücksichtigen, meinte Kopf: "Angesichts der hohen Inflation wird die Abschaffung der kalten Progression einkommenssichernd wirken und damit positive Effekte auf Löhne und Gehälter in Österreich haben." Katzian stellte unterdessen gleich klar: "Wer glaubt, dass sich die ArbeitnehmerInnen die Abgeltung der kalten Progression durch niedrigere Lohnabschlüsse selber zahlen, hat die Rechnung ohne die Gewerkschaften gemacht."

(APA)

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