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Sterbetourismus in die Schweiz

Zürcher Vereine helfen Sterbewilligen. Todkranke sollen Recht auf würdiges Ende haben. Menschenwürdig leben, menschenwürdig sterben - so sieht es der Verein „Dignitas“.

Ein einfaches Bahnticket reicht: Zwischen der Ankunft in Zürich und dem Tod liegen nicht einmal zwölf Stunden. So lange dauert es theoretisch, bis der Sterbewillige mit einem Vertrauensarzt gesprochen und den Mitgliedsbeitrag von umgerechnet rund 30 Euro gezahlt hat, in ein Zimmer gebracht wurde, das Medikament bekommt und sanft entschläft. Menschenwürdig leben, menschenwürdig sterben – so sieht es der Schweizer Verein „Dignitas“, der Leidenden zu einem würdevollen Freitod verhelfen will. Kritiker sehen das natürlich ganz anders.

Den Selbstmordkandidaten ist die Schweiz als Anlaufstelle wohl bekannt. Sie ist das einzige Land weltweit, das Sterbehilfe erlaubt, auch wenn nur ein Arzt sein Einverständnis gibt. In den Niederlanden ist die Zustimmung von mindestens zwei Medizinern notwendig. Neben der Organisation „Dignitas“ bieten in Zürich auch „Exit“ und „Suizidhilfe“ Unterstützung beim Freitod an. Während „Exit“ aber ausschließlich Schweizern zur Seite steht, steht „Dignitas“ auch Ausländern offen. Schließlich solle jeder Mensch das Recht haben, in Würde aus dem Leben zu scheiden, meint Ludwig Minelli, der den Verein im Mai 1998 gegründet hat. Von 50 Sterbekandidaten kamen im vergangenen Jahr 39 aus dem Ausland, die meisten waren Deutsche.

Trotzdem funktioniere die Sache nicht so einfach auf Knopfdruck, stellt Minelli klar. Nur weil jemand keine Lust mehr habe zu leben, bekomme er das todbringende Barbiturat bestimmt nicht verabreicht. Wer sich beim Sterben helfen lassen wolle, brauche triftigere Gründe:
eine unheilbare Krankheit, unerträgliche Schmerzen.

Und selbst dann geht das Ganze meist nicht von heute auf morgen. Zwischen der ersten Kontaktaufnahme und dem Suizid lägen oft Wochen, sagt Minelli, der den Verein bis heute leitet. In dieser Zeit denken die Selbstmord-Kandidaten noch einmal gründlich über ihren Sterbewunsch nach. Depressiven Menschen lege sein Verein ohnehin eine mehrwöchige Bedenkzeit auf, betont der Rechtsanwalt. Nur bei Todkranken im Endstadium geht es sehr viel schneller – notfalls in wenigen Stunden.

Minelli warnt davor, auf eigene Faust Medikamente zu schlucken. So wie normale Schlaftabletten heutzutage zusammengesetzt seien, würden die Leute nach einer Überdosis allenfalls für ein halbes Jahr ins Koma fallen – und dann mit schweren Folgeschäden aufwachen. Umbringen könne sich damit niemand mehr, meint der Jurist.

Der Staatsanwalt im Kanton Zürich, Andreas Brunner, hält allerdings gar nichts davon, dass Menschen eigens zum Sterben in sein Land kommen. Seiner Ansicht nach muss der „Sterbetourismus“ unbedingt geregelt werden. Eine Handhabe gegen die Vereine hat die Justiz bisher jedoch nicht gefunden. Nach jedem begleiteten Freitod wird zwar die Polizei alarmiert und eine Untersuchung eingeleitet. Bis jetzt wurde aber jedes Ermittlungsverfahren eingestellt.

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