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Starker Schweizer Auftritt bei Bachmann-Wettbewerb

Der erste Tag des Wettlesens um den Ingeborg-Bachmann-Preis ist am Donnerstag nur langsam in Fahrt gekommen. Während die drei Teilnehmer am Vormittag, Sabrina Janesch, Volker Altwasser und Christopher Kloeble, deutlich mehr Kritik als Zustimmung ernteten, legten die beiden Schweizer Teilnehmer Daniel Mezger und Dorothee Elmiger am Nachmittag einen starken Auftritt hin. Während Mezger noch polarisierte, fand Elmiger fast ungeteiltes Lob.
Ingeborg-Bachmann-Preis 2010 in Klagenfurt

Ihr Auszug “Einladung an die Waghalsigen” wurde von den Juroren als apokalyptische Geschichte gelesen, ihre Art, aus bestehenden Werken zu zitieren, sei neu und originell. Paul Jandl meinte gar, der Text habe “Tiefen und Tücken”, Meike Feßmann war ganz begeistert. Lediglich Alain Claude Sulzer mochte nicht in den Chor der Jubilare einstimmen, sondern erklärte trocken, er sei froh, dass ihm die anderen den Text erklärt hätten, er fange nämlich rein gar nichts damit an. Bei Elmiger geht es um einen Ort in einem Kohlerevier, um ein Mädchen, das sich einerseits mit der lokalen Geschichte von Streiks in den Kohlegruben und einer Feuerkatastrophe befasst, andererseits in Büchern, von denen offenbar nicht mehr viele vorhanden sind, imaginäre Reisen an ferne Orte und von anderen beschriebene Geschichten unternimmt. Bei den Zuhörern war die Zustimmung weit weniger ungeteilt.

Mezgers Romanauszug “Bleib am Leben” erzählt vom Alltag eines Dorflehrers, dessen Gefährtin schwerste psychische Probleme hat und ständige Betreuung braucht. Er zeichnet das Bild eines Verzweifelten, der mit den ihm gestellten Aufgaben nicht mehr zurechtkommt. Er weiß, dass sie ohne ihn nicht (über)leben kann, Panik vor dem Alleinsein hat und ihr Leben zurückhaben will.

Sein Vortrag wurde allseits gelobt, für den Text selbst reichte der Bogen von großer Zustimmung – Paul Jandl nannte ihn “sehr kunstvoll und sehr gelungen” bis zu totaler Ablehnung, etwa durch Karin Fleischanderl, die völlige Belanglosigkeit konstatierte.

Schlecht weg kam Sabrina Janesch, die am Donnerstag als erste ins Rennen ging. Ihr Romanauszug “Katzenberge” über die Verwerfungen im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet am Ende des Zweiten Weltkrieges kam bei der Jury gar nicht gut an. Dabei geht es um polnische Bauern aus den nach 1945 der Ukraine zugeschlagenen Gebieten, die nach Schlesien auswandern, um dort Höfe von vertriebenen oder getöteten Deutschen zu übernehmen. Die Juroren kritisierten vor allem Probleme mit der Erzählperspektive . Fleischanderl meinte, es interessiere sie eigentlich überhaupt nicht. Winkens konzedierte ein “gutes, interessantes Thema”, die Erzählweise und die Sprache der Autorin würden den Ansprüchen allerdings nicht gerecht.

Nach ihr las Volker Altwasser seinen Text “Saudade”, er erntete ebenfalls deutlich mehr Kritik als Lob. Altwasser entführt die Zuhörer auf hohe See vor der Küste Somalias, es geht um Fischfang und viele Klischees, fast unbezahlbare Fischhäute und die Eheprobleme des Protagonisten. “Jugendbuch”, entschlüpfte es einem Juror als Bewertung, zu viele Klischees, hieß es. Feßmann verteidigte “ihren” Autor, der “die Geschichte des Meeres” erzähle.

Durchwachsen fiel die Bewertung für Christopher Kloebles Romanauszug. “Der versteckte Mensch” aus. Er befasst sich mit einer Vater-Sohn-Beziehung, bei der der Sohn bereits im Kindesalter die Vaterrolle übernimmt, da dieser zurückgeblieben ist. Der Vater ist unheilbar krank und der Sohn beschließt, bis zu dessen Tod bei ihm zu wohnen. Hubert Winkels befand, der Text würde “völlig abstürzen”, Jandl sah einen “Text der Putzigkeit”. Sulzer wiederum gefiel die Umkehrsituation der Figuren. Juryvorsitzender Burkhard Spinnen sah eine exakt angeordnete Versuchsanordnung, der große Anspruch, der am Anfang erhoben werde, würde jedoch nicht wirklich eingelöst.

Das Wettlesen um den Bachmann-Preis wird am Freitag um 10 Uhr im Klagenfurter ORF-Theater fortgesetzt. Den Auftakt macht der Österreicher Thomas Ballhausen, gefolgt von Max Scharnigg, Aleks Scholz und Judith Zander. Der Kärntner Josef Kleindienst beschließt die Freitags-Lesungen.

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