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Standortentwicklungsgesetz: Viel Kritik von Umweltverbänden

Wirtschaftsministerin Schramböck stellte das neue Gesetz vor.
Wirtschaftsministerin Schramböck stellte das neue Gesetz vor. ©APA/Georg Hochmuth
Nachdem das Standortentwicklungsgesetz am Mittwoch durch den Ministerrat gebracht wurde, erhöht sich noch einmal die Kritik von den Umweltverbänden.

Die Umweltverbände Global 2000, WWF, Greenpeace, Virus sowie der Umweltdachverband üben herbe Kritik am Standortentwicklungsgesetz, das die Bundesregierung am Mittwoch durch den Ministerrat gebracht hat. Sehr wohl würden – entgegen der Beteuerungen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) – Rechte beschnitten. Lob kam von der Industriellenvereinigung, der WKÖ und der E-Wirtschaft.Wien. “Es ist demokratiepolitisch höchst problematisch, dass die Regierung auch zwei Tage nach Präsentation den offenbar stark abgewandelten Gesetzesvorschlag bis jetzt der Öffentlichkeit nicht vorgelegt hat, sondern nur einigen ausgewählten Unternehmensvertretern”, kritisierte Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von GLOBAL 2000. Sie fordert ein “Zurück an den Start” und “wahre Verfahrensverbesserungen statt interessensgetriebener Symbolpolitik”.

Umweltverbände: Kritik für das Standortentwicklungsgesetz

“Das neue Sondergesetz soll Umweltschutz aushebeln”, hieß es vom WWF. “Anstatt Umweltprüfungen nachhaltig zu verbessern, agiert die Bundesregierung mit dem Presslufthammer. Große Bauprojekte werden mit einem kritischen Sondergesetz privilegiert, während der Umweltschutz auf allen Ebenen ausgebremst werden soll”, so Hanna Simons, Leiterin Natur- und Umweltschutz beim WWF Österreich.

Auch Greenpeace kritisiert, dass “Umweltschutzrechte ausgehebelt” würden. Außerdem werde der neue Gesetzesentwurf an der Begutachtung vorbeigeschleust. “Um Großbauten durchzuboxen, schafft Wirtschaftsministerin Schramböck eine undurchsichtige bürokratische Parallelstruktur”, sagt Greenpeace-Sprecher Lukas Hammer. “Die schwarz-blaue Regierung wollte Verfahren beschleunigen. Mit dem Standortgesetz erreicht sie jetzt genau das Gegenteil. Verfahren, die nicht in erster Instanz abgeschlossen werden, sollen nun an die zweite Instanz weitergeleitet werden. Das ist eine Schnapsidee: Die Gerichte sind jetzt schon komplett überlastet. Die Verfahren werden sich dadurch nur noch mehr verzögern.”

Gerichte bereits jetzt überlastet

Der Verband Virus verweist darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht derzeit lediglich über vier Senate für UVP-Verfahren verfüge, die aber noch andere Verfahrensarten zu bearbeiten hätten und bereits jetzt überlastet seien. Das könne man am Beispiel der Salzburgleitung sehen, wo eineinhalb Jahren nach Schluss des Ermittlungsverfahrens und der Verhandlung immer noch keine Entscheidung getroffen worden sei. “Und dieses Gericht soll nun alles aufarbeiten was zehn Behörden vorher versemmelt haben, wenn das Standortentwicklungsgesetz-Neu ihm alle Fälle nach Zeitablauf automatisch überträgt? Das dann entstehende Chaos möchte ich mir lieber nicht vorstellen”, so Wolfgang Rehm.

“Geht ein Verfahren unabgeschlossen an die zweite Instanz, weil relevante Sachverhalte nicht erhoben wurden, wird dieses aufgrund fehlender eigener Sachverständiger in aller Regel wieder an die erste Instanz zurückverwiesen und damit dort erst recht zu Verfahrensstaus führen”, so der Präsident des Umweltdachverbandes, Franz Maier. “Um Projekte inhaltlich prüfen zu können, müsste zudem im Bundesverwaltungsgericht ein fachlicher Parallelapparat zu den UVP-Behörden erster Instanz (mit Sachverständigen etc.) aufgebaut werden.” Der Umweltdachverband lehnt auch das “Konstrukt” des Standortbeirates ab. “Insgesamt sehen wir in dem heutigen Vorstoß eine Verwaltungsaufblähung par excellence. Wir können beim besten Willen nicht erkennen, wie der neue Gesetzesentwurf das eigentlich intendierte Ziel der Verfahrensbeschleunigung erreichen kann. Einen “Devolutionsantrag” zu stellen, um schneller in die nächste Instanz zu kommen, ist derzeit bereits möglich – und zwar schon nach sechs Monaten”, so Maier.

Postive Reaktonen aus der Wirtschaft und der Politik

Ganz anders die Reaktionen von Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung: “Das heute im Ministerrat beschlossene Standortentwicklungsgesetz ist eine Chance für den Wirtschaftsstandort Österreich”, so IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren. “Genehmigungsverfahren für Projekte mit einem besonderen öffentlichen Interesse sollen künftig nicht mehr jahrzehntelang ausufern, sondern in einem straffen Verfahren zügig durchgeführt werden. Es geht nicht darum Umweltstandards abzusenken. Es geht schlicht um die Sicherheit, dass Entscheidungen in einer angemessenen Zeit erfolgen. Nur so können Unternehmen Investitionen planen und größere Projekte, die dem ganzen Land dienen, letztendlich auch umgesetzt werden.”

“Die Dauer von Genehmigungsverfahren ist ein wichtiger Standortfaktor”, so WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP). “Dementsprechend hat sich auch die Bundesregierung in ihrem Koalitionsabkommen zur Erleichterung und Beschleunigung von Investitionen bekannt, die in besonderem Maß dem Allgemeininteresse dienen.” Gerade beim Infrastrukturausbau sprenge die Dauer der UVP-Verfahren die gesetzlichen Limits immer wieder um ein Vielfaches. Das könne nicht länger hingenommen werden, so Kopf. “Investitionsvorhaben, die für das Gemeinwohl wichtig sind, wie zum Beispiel Projekte für die Versorgungssicherheit bei Strom oder der Eisenbahnausbau, stecken in endlosen Warteschleifen. Das kostet nicht nur die Steuerzahler Unsummen, sondern auch Arbeitsplätze.”

Lob von der ÖVP

“Das Standort-Entwicklungsgesetz stellt einen dringend notwendigen Schritt dar, um die Genehmigungsverfahren von Projekten, die standortpolitisch von besonderem öffentlichen Interesse sind, zu beschleunigen”, erklärt Leonhard Schitter, Präsident von Oesterreichs Energie und Vorstandssprecher Salzburg AG. “Bis 2030 soll Österreichs Stromversorgung zu 100 Prozent aus inländischer Erzeugung aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dafür bleiben nur noch 11 Jahre, das ist für die E-Wirtschaft eine sehr kurze Zeitspanne”, betont Schitter.

Lob kam auch vom ÖVP-Wirtschaftsbund und Politikern des ÖVP-Parlamentsklubs.

SPÖ fordert Ausschussbegutachtung

Die SPÖ wirft der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung beim Standortentwicklungsgesetz “reine Symbolpolitik” und “fehlendes demokratiepolitisches und rechtsstaatliches Verständnis” vor. Die größte Oppositionspartei fordert eine Ausschussbegutachtung fürs vor allem bei Umweltschützern heftig in der Kritik stehende Gesetz. Zugewiesen wird das Gesetz dem Wirtschaftsausschuss. Heute passierte es den Ministerrat.

“Der neue Stil der Regierung ist ein Stil des Drüberfahrens und der Missachtung von parlamentarischen Prozessen”, kritisierte der sozialdemokratische Umweltsprecher Klaus Feichtigner in einer Aussendung. “Die SPÖ fordert eine Ausschussbegutachtung, damit man noch die notwendigen Verfahrensverbesserungen diskutieren kann.” Nur eine intensive und rechtlich-inhaltliche Diskussion könne die befürchtete Aushebelung von Umweltrechten verhindern. “Bei derartig starken Veränderungen gegenüber dem Erstentwurf und Eingriffen in das Verfahrensrecht braucht es zumindest eine breite Ausschussbegutachtung”, forderte Feichtinger. Der Oppositionspolitiker fragte sich zudem, “ob die Umweltministerin auch einmal etwas dazu sagen wird, oder sich lieber weiter in Schweigen hüllt?”.

Kritik auch vom Ökobüro

Kritik am Gesetzesplan übte am Mittwoch auch noch das Ökobüro. Es mutmaßte, dass Verfahren zur Erlangung des Öffentlichen Interesses auch erst eingeleitet werden könnten, wenn die UVP bereits läuft. Das schloss ein Sprecher von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) auf APA-Nachfrage aber aus. “Es darf noch kein Antrag auf UVP gestellt sein oder noch keine UVP laufen, um den Antrag auf öffentliches Interesse zu stellen.” Was schon geht, aber als unrealistisch angesehen wird, ist ein UVP-Verfahren freiwillig zu beenden, um dann zu versuchen, das öffentliche Interesse attestiert zu bekommen.

Von einem wichtigen Schritt durch das Gesetz sprach am Mittwoch noch Wirtschaftskammer-Wien-Vize Alexander Biach, der auch noch Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungen ist.

(APA/Red)

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